„Lebensbezirk Meidling“ in Buchform

Bekannt ist Meidling vielen für das „L“, der zwölfte Wiener Bezirk hat noch viel mehr zu bieten. In einem neuen Buch stellt der Ö1-Kulturredakteur Robert Weichinger den „Lebensbezirk Meidling“ und dessen Entwicklung vor.

Weichinger wohnt in Währing und hat Meidling mit dem Blick von außen in zahlreichen Gesprächen mit Meidlingern erkundet. „Ich möchte immer vor Ort sein und nicht nur im Internet recherchieren. Ich rede viel mit Menschen, die ich auch einfach auf der Straße anspreche. Ich nehme die Sachen auf, werte sie aus und dann verdichtet sich ein Bild“, so Weichinger gegenüber „Wien heute“ über seine mehrere Monate dauernden Recherchen.

Buch über Meidling

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Blick in die Meidlinger Fußgängerzone

Vielfalt mit Schloss und Gemeindebauten

Meidling entstand aus dem Zusammenschluss von fünf einst eigenständigen Gemeinden (Unter- und Obermeidling, Gaudenzdorf, Altmannsdorf und Hetzendorf), deren Flächen lange hauptsächlich agrarisch genützt wurden. Nachdem Regentin Maria Theresia Schloss Schönbrunn zu ihrer Sommerresidenz ausbauen hatte lassen und zudem die Industrialisierung fortschritt, veränderte sich die Sozialstruktur des Bezirks aber deutlich.

Die Vielfalt Meidlings zeigen etwa das Viertel um den Khleslplatz, eine Denkmalschutzzone mit dörflichem Charakter, Schlösser wie in Hetzendorf aber vor allem auch das Rote Wien: Kein anderer Bezirk hat in Relation zu seiner Größe so viele Gemeindebauten.

Im Wohnbau gibt es in Meidling viele Gegensätze - neben Siedlungsanlagen Hochhäuser wie das Schöpfwerk oder mit dem Kabelwerk ein hochmodernes Viertel, ein Musterstadteil auf ehemaligem Industriegelände, und noch allerlei Grätzeln. „Diese Grätzlstruktur hat sich um den Meidlinger Markt wieder ganz nett etabliert. Es gibt viele Meidlinger, die nirgendwo anders wohnen wollen. Das spricht für den hohen Wohnkomfort des zwölften Bezirks“, so Weichinger.

Autor Robert Weichinger in Meidling

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Autor Robert Weichinger

UNESCO-Initiative für „Meidlinger L“

Was den Bezirk auch noch ausmacht, ist ein Buchstabe: das berühmte „Meidlinger L“. Einer Bürgerinitiative zufolge soll es in das immaterielle Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen werden. Linguistische Studien gingen dem historischen Werdegang des „Meidlinger L“ auf den Grund.

Eine schlüssige Theorie besagte, dass es auf zugewanderte Tschechen (etwa die „Ziegelbehm“ vom Wienerberg oder Dienstmädchen und Dienstboten im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert) zurückgeht, doch das wird von Sprachforschern infrage gestellt. Überraschenderweise, so erzählt Weichinger, scheint das „Meidlinger L“ phonetisch dem portugiesischen „L“ näher verwandt zu sein als dem tschechischen. Was immer das auch bedeuten mag.

Einbrecherkönig starb mit 28 Jahren

Im Buch wird auch an historische Figuren erinnert, wie den gerne mit Robin Hood verglichenen Johann „Schani“ Breitwieser. 1919 starb der edelmütige Einbrecherkönig, noch keine 28 Jahre alt, nach einem Schusswechsel mit der Polizei. Zu seinem Begräbnis sollen zigtausende Menschen gekommen sein, sodass es fast einem Staatsakt glich.

„Lebensbezirk Meidling. Von Typen, Grätzeln und Sehenswürdigkeiten.“ von Robert Weichinger ist im Gerold-Verlag erschienen

Aber auch Gegenwart und Moderne kommen bei Weichingers Lokalaugenschein nicht zu kurz. Etwa wenn er sich am Meidlinger Markt in dem zum Szenetreff mutierten „Milchbart“-Standl exotische Genüsse wie Chinakli (georgische Teigtaschen mit Faschiertem) servieren lässt oder gleich in der Nähe die Aktivistinnen und Aktivisten von „Purple Sheep“ besucht, einen „Verein zur Förderung und Einhaltung der Rechte von AsylwerberInnen und Fremden“.

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