Polizei gegen private Bürgerwehr

Über Facebook schließen sich derzeit in Wien Personen zusammen, um gemeinsam eine Bürgerwehr aufzustellen. Die Polizei hält das für „nicht notwendig“ und hält die Gruppe unter Beobachtung.

Die Facebook-Gruppe „Bürgerwehr Wien/Wien Umgebung“ hat bereits mehr als 2.700 „Gefällt mir“-Klicks. Auf der Seite ist etwa zu lesen: „Wer von euch kann sich vorstellen uns in einer Warnweste die die Aufschrift Frauenbegleiter am Rücken hat auf diversen Spaziergängen zu begleiten?“

Gleichzeitig schreiben die Organisatoren auf Facebook: „Wir wollen nicht die Arbeit der Polizei machen. Wir wollen unseren Bürgern das Gefühl geben, dass jemand auf sie schaut, wenn es dunkel wird. Wir werden uns als Verein im Rahmen der Nachbarschaftshilfe bewegen.“

Über Facebook schließen sich derzeit in Wien Personen zusammen, um gemeinsam eine Bürgerwehr aufzustellen. Die Polizei hält das für "nicht notwendig".

Screenshot: Facebook/Bürgerwehr Wien/Wien Umgebung

Wiener Bürgerwehr organisiert sich über Facebook

Polizei: „Bürgerwehr nicht notwendig“

Seitens der Polizei läuft eine Überprüfung der Gruppe. „Was diese Leute machen wird man beobachten, derzeit haben sie ja noch nichts unternommen. Es gibt derzeit noch keine Bürgerwehr die auf Wiens Straßen patrouilliert“, sagt Polizeisprecher Thomas Keiblinger gegenüber wien.ORF.at.

„Wir halten das für nicht notwendig. Mit Exekutivaufgaben, wie der Aufrechterhaltung von Ordnung und Ruhe, ist explizit die Polizei vom Gesetzgeber beauftragt. Die Polizistinnen und Polizisten haben auch eine entsprechende Fachausbildung“, so Keiblinger.

„Im Endeffekt kann ein Mitglied dieser Bürgerwehr auch nichts anderes machen als die Polizei zu rufen. Denn er hat weder die Erfahrungswerte, noch das Equipment, und das wesentliche, er hat auch keine rechtliche Grundlage, das sein einschreiten überhaupt rechtens ist. Das heißt er macht sich dann unter Umständen auch selbst strafbar“, sagte Keiblinger. Die Polizei riet zuletzt auch von einer Privatbewaffnung ab - mehr dazu in Polizei rät von Privatbewaffnung ab.

Waffenverkäufe sind gestiegen

Auch die Waffenverkäufe sind gestiegen. „Ich verkaufe mehrere Glocks in der Woche, das war früher nicht so“, sagte etwa der Besitzer des Waffengeschäfts doubleaction, Gerhard Pöpl. Pfeffersprays sind überhaupt ausverkauft. „Ich bekomme heute eine neue Lieferung.“ Damit liegt Pöpl ganz im Trend. „Österreichweit kann man von einer Zunahme von 50 Prozent bei Verkäufen von Pfeffersprays ausgehen“, sagte Branchensprecher Robert Siegert.

Bis vergangenen September wurden pro Monat im Schnitt rund 100 Waffenbesitzkarten von der Wiener Polizei ausgestellt. Im Oktober waren es bereits doppelt so viele. Und im November hat sich die Zahl mit 457 mehr als vervierfacht - mehr dazu in Immer mehr Wiener kaufen Waffen.

Kreissl: Symptom einer tiefsitzenden Unsicherheit

„Es gibt schon länger eine tiefsitzende Unsicherheit in der Bevölkerung“, erklärte der Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl. Für Kreissl sind die Phänomene Ausdruck einer tief sitzenden Verunsicherung der Österreicher. Die Grundfeste des persönlichen Sicherheitsgefühls wie eine sichere Arbeitsstelle und eine dauernde Partnerschaft seien heute vor allem durch die Globalisierung nicht länger gegeben.

„Gleichzeitig haben die Menschen immer weniger Kontrolle über ihren Alltag“, sagte der Kriminalsoziologe. Bei internationalen Konzernen reiche etwa bereits ein Beschluss, Standorte zu verlegen „und schwupps - sind in einem Land tausend Leute arbeitslos“.

Diese Verunsicherung schwelt schon länger innerhalb der Bevölkerung. Die Flüchtlingssituation habe den Ängsten nun eine einfache Projektionsfläche geliefert. „Die Vorfälle in Köln waren sicherlich eine weitere Initialzündung“, sagte Kreissl.

„Spielt keine Rolle, dass Ängste völlig unbegründet“

Neben der Politik verliere nun auch die Polizei als staatliches Ordnungsorgan zunehmend das Vertrauen der Bevölkerung. Dabei spiele es keine Rolle, dass die Ängste meist völlig unbegründet sind. „Ich kann jemandem tausend Mal erklären, dass es in Wien extrem unwahrscheinlich ist, Opfer einer kriminellen Tat zu werden, aber ich komme dann einfach nicht mehr durch“, sagte der Kriminalsoziologe.

Kreissl rechnete damit, dass die Stimmung wohl noch einige Wochen lang angespannt bleibt. Doch sobald die mediale Aufmerksamkeit wieder einen anderen Schwerpunkt bekommt, werde sich wohl auch die Bevölkerung wieder entspannen. Die Hoffnung, sich mit Waffen zu schützen, ist laut Kreissl „relativ sinnlos“. „Schauen Sie nach Amerika, da sehen Sie, das Einzige, was passiert ist, dass die tödlichen Unfälle oder auch die Überfälle oder auch Straftaten unter Einsatz von Waffen einfach zunehmen“, so Kreissl.

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