Allergenverordnung: Nur 187 Anzeigen

Gut ein Jahr nach Inkrafttreten der Allergenverordnung zieht das Wiener Marktamt eine positive Bilanz: Rund 13.000 Betriebe wurden im Vorjahr kontrolliert und nur 187 Anzeigen erstattet. Allergikervereine zeichnen ein weniger rosiges Bild.

Die Kennzeichnung der Allergene funktioniere in den Wiener Gastronomie- und Lebensmittelbetrieben „sehr, sehr gut“, lobte Alexander Hengl vom Wiener Marktamt im Radio-Wien-Interview: „Die Gastronomie haben wir beglückwünscht, dass sie das so gut umgesetzt hat, auch die Wirtschaftskammer-Gastronomie ist sehr dahinter.“ Nur mehr einer von hundert Wirten hätte Verordnung noch nicht umgesetzt, schätzte Hengl. Im Frühjahr des Vorjahres war noch jeder fünfte Wirt säumig - mehr dazu in Jeder fünfte Wirt ignoriert Allergenverordnung.

Rund ein Drittel der 187 Anzeigen betrifft laut Marktamt Lieferküchen, hier würden die Allergene auf den Speisekarten oft komplett fehlen. Als Folge einer Anzeige wird eine Geldstrafe verhängt, deren Höhe die magistratischen Bezirksämter festlegen. Beim ersten Mal sind es laut Marktamt im Schnitt 250 bis 350 Euro.

Allergenverordnung

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Kennzeichnung von 14 Allergenen

Seit 13. Dezember 2014 müssen 14 Allergene in den Speisekarten ausgewiesen werden: glutenhaltiges Getreide, Krebstiere, Eier, Fisch, Erdnüsse, Sojabohnen, Milch, Schalenfrüchte (diverse Nüsse), Sellerie, Senf, Sesamsamen, Schwefeldioxid und Sulfite, Lupinen und Weichtiere. Alternativ kann geschultes Personal mündlich informieren. Grund für die Kennzeichnungspflicht ist eine EU-Verordnung aus dem Jahr 2011.

Nicht jeder Mangel führt zu Anzeige

Im ersten halben Jahr setzte das Marktamt vor allem auf Beratung statt Strafen - und auch jetzt führe nicht jeder Mangel gleich zu einer Anzeige, gesteht Hengl zu: "Wenn bei 20 Speisen alles passt und bei einer ist es nicht ok, dann werde ich den Wirt darauf hinweisen und das nach einem Monat nachkontrollieren – und wenn er es dann immer noch nicht umgesetzt hat, dann werde ich auch Anzeige erheben.“ Es könne beispielsweise natürlich auch passieren, dass ein neuer Koch doch Mehl in ein Gulasch gibt, erklärte Hengl.

Probleme bei mündlicher Auskunft

Für Allergiker und Menschen mit Unverträglichkeiten können jedoch auch kleine Kennzeichnungsfehler ein Problem sein - und so fällt deren Bilanz kritischer aus. Blind verlassen könne man sich auf die Kennzeichnungen noch nicht, sagte Hertha Deutsch von der in Wien ansässigen Arbeitsgemeinschaft für Zöliakie-Betroffene. Zum Teil fehle es an Grundwissen, wo Gluten enthalten ist: "Wenn man nur Mehl deklariert und nicht Zutaten aus glutenhaltigem Getreide, wie zum Beispiel Brösel“, so Deutsch gegenüber Radio Wien.

In manchen Lokalen funktioniere es dafür „wunderbar“, betonte die Zöliakie-Spezialistin - und viele Restaurants würden inzwischen glutenfreies Gebäck, Mehl oder Brösel anbieten, sogar kleine Heurige - das sei früher nicht der Fall gewesen. "Zum Großteil läuft es gut, aber noch lange nicht sehr gut“, bilanzierte Angelika Widhalm vom Wiener Selbsthilfeverein FruLak & Co. Die meisten Probleme gebe es in Lokalen, die nur mündlich informieren: „Es kommt vor, dass dann die Antwort kommt, da müssen Sie am Dienstag kommen, da ist die Dame da, die sich auskennt. Das ist mir erst letzte Woche in einem sehr guten Kaffeehaus in Wien passiert“, so Widhalm.

Betroffene fordern Schulungen durch Diätologen

Bei Fehlern würden sie das Gespräch mit den Gastronomen suchen, betonten sowohl Deutsch als auch Widhalm - so habe man auch schon viel Positives bewirken können. Nur zwei Fälle, „die sehr krass waren“, habe man dem Marktamt gemeldet, sagte Widhalm im Radio-Wien-Interview.

Für Fehler bei der Allergenkennzeichnung machen Deutsch und Widhalm auch die Schulungen verantwortlich. Diese sollten von ausgebildeten Diätologinnen und Diätologen durchgeführt werden, fordern sie. Das ist derzeit nicht vorgeschrieben - schulen könne jeder, der über „entsprechendes Fachwissen“ verfügt, heißt es auf der Website des Gesundheitsministeriums lapidar, beispielsweise auch der Betriebsleiter. Die Arbeitsgemeinschaft für Zöliakie-Betroffene bietet nun selbst Kurse für die Gastronomie bei ihrer Diätologin an, vorerst in der Steiermark.

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Das Wiener Marktamt kontrollierte im Vorjahr rund 13.000 Betriebe

„Keine Wissenschaft daraus machen“

In Wien führt unter anderem das Marktamt selbst Schulungen durch, in Kooperation mit der Wirtschaftskammer, und hier fühlt man sich ausreichend qualifiziert: Ernährungsberatung sei Thema in der Grundausbildung zum Lebensmittelinspektor, so Hengl. „Und wer könnte über Lebensmittelrecht besser informieren als diejenigen, die es kontrollieren.“ Auch Peter Dobcak, Obmann der Sparte Gastronomie in der Wiener Wirtschaftskammer, ist gegen Diätologen-Schulungen: „Ich verwahre mich gegen jede Steigerung der Bürokratie. Es gibt ja nur eine geringe Zahl von wirklichen Allergikern - und deswegen sollte man keine Wissenschaft daraus machen.“

Auch Dobcaks Bilanz über das erste Jahr der Verordnung fällt positiv aus, der Anfangsaufwand für die Gastronomie sei sehr hoch gewesen, nun sei die Umsetzung machbar - auch weil immer mehr Automatisierung möglich sei, etwa durch eine Online-Rezeptedatenbank der Kammer, die bei der Allergenkennzeichnung helfe. Die Zusammenarbeit mit dem Marktamt habe gut funktioniert, dieses habe sich an die Vereinbarungen gehalten, in der ersten Zeit zu beraten statt zu strafen.

Geschmacksverstärker ebenfalls ausweisen?

Betroffenenvertreterin Widhalm hätte sich von der Allergeninformationsverordnung auch mehr Auswirkungen auf die Inhalte der Speisekarten gewünscht: „Man weiß, was man nicht essen darf, man hat aber kein Alternativangebot“, kritisiert sie. Die Gastronomen könnten hier zusätzlichen Umsatz generieren. Und es ist nicht ihr einziger Zukunftswunsch: 14 Allergene auszuweisen reiche nicht, fehlen würden etwa Geschmacksverstärker wie Glutamat: „Diese Stoffe können eine schwere allergische Reaktion auslösen“, so Widhalm.

Evelyn Kanya, wien.ORF.at

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