„Spitz“-Magazin: „Tolerier mi doch am Orsch“

Zwei Fotografinnen bringen ein neues Magazin über die queere Community in Wien heraus. Das 112-Seiten starke Druckwerk „Spitz“ soll einen Einblick in die Szene geben und provoziert mit Parolen wie „Tolerier mi doch am Orsch“.

„‚Spitz!!‘ - Das war ihr erstes Wort“ schreibt Wilhelm Busch im zweiten Streich seines „Max und Moritz“. „Spitz“ lautet auch der Titel des neuen Magazins, das Anfang Februar in Wien erscheint und laut Ankündigung auf Facebook „über 100 Seiten Gendervielfalt, Einblicke in die queere Szene und Ausbrüche aus Klischee-verhafteten Stereotypen“ verspricht.

„Unbedingt etwas Queeres“

Anstatt zweier Lausbuben sind die beiden Fotografinnen Inés Bacher (35) und Anna Konrath (24) als Herausgeberinnen am Werk. Dass aus ihrer gemeinsamen Diplomarbeit an der Graphischen im Jahr 2015 tatsächlich ein 112-Seiten starkes gedrucktes Magazin werden sollte, hätten die beiden Frauen rasch entschieden, erzählen sie im Gespräch mit wien.ORF.at. „Wir wollten unbedingt etwas Queeres machen“, sagt Konrath. Und „wenn wir schon soviel Zeit investieren, dann soll es etwas sein, das uns am Herzen liegt“, ergänzt Bacher und betont den Wunsch etwas Nachhaltiges schaffen zu wollen.

"Spitz" Magazin

© Spitz

Anna Konrath und Inés Bacher sind „Spitz“ - das Magazin

Die Texte in dem Magazin entstammen größtenteils der Feder von Freunden und Bekannten der Herausgeberinnen: „Wir kennen viele Leute, die spitze Sachen machen, die aber in irgendwelchen Schubladen liegen, weil es keinen Ort gibt, wo so etwas publiziert wird“, sagt Konrath.

Das Magazin möge zwar den Zweck der (Selbst)repräsentation erfüllen, gleichzeitig gehe es aber nicht darum, „die Wiener Szene hochleben zu lassen“, sagt Konrath. Denn es seien auch Widersprüche darin zu lesen, weil es einerseits um die kritische und andererseits auch eine humorvolle Auseinandersetzung mit dem queeren Wien gehe. In dem Druckwerk fänden sich außerdem Texte, die eigentlich als Performance gedacht waren: „Wir haben die Bühne ins Magazin geholt“, beschreibt Bacher den Weg, die Texte in Zusammenarbeit mit den Verfasserinnen und Verfassern „ins Zweidimensionale“ zu adaptieren.

"Spitz" Magazin

© Spitz

Das Cover der ersten und einzigen Auflage von „Spitz“

„Spitz“ Release-Party im Fluc

Die Produktion der Auflage von 600 Stück koste rund 7.000 Euro. Die Arbeitszeit sämtlicher Mitarbeitenden sei dabei nicht miteingerechnet. Vonseiten der Stadt habe das Projekt ausschließlich von Community-nahen Organisationen wie den Grünen Andersrum und SoHo, der LSBTI-Organisation der Wiener SPÖ, finanzielle Unterstützung erhalten. Auch die Wiener ÖH und andere Einrichtungen oder Betriebe, die der „Szene“ nahe stehen, unterstützen das Projekt. Insgesamt habe sich der Finanzierungsprozess allerdings schwierig gestaltet, erzählen beide Herausgeberinnen von ihrer größten Herausforderung.

Den Großteil der Kosten wollen die Fotografinnen über Crowdfunding finanzieren. Nach deren eigenen Angaben könnten sie so idealerweise 4.000 Euro lukrieren. Wer sich über die Crowdfunding-Plattform daran beteiligt und das Projekt unterstützt, soll ein Exemplar von „Spitz“ im Rahmen einer Release-Party am 6. Februar im Fluc als Geschenk bekommen, kündigen die „Spitz“-Macherinnen an.

„Scheinheiliger Toleranzbegriff“

Auf den Namen des Magazins angesprochen grinsen beide Frauen, nicken und bejahen, wovon sie ausgehen, das die meisten Menschen damit verbinden: „Spitz“ - nämlich nicht wie der Saft, aber wie „Nachbars Lumpi“ oder auch „der Stachel im Fleisch“, sagt Bacher.

Eine ihrer Parolen und gleichzeitig schmissiger Postkartenspruch ist die Phrase „Tolerier mi doch am Orsch“. Mit dem trotzig anmutenden und durchaus bewusst gewählten Satz wollen Bacher und Konrath vor allem den „scheinheiligen Toleranzbegriff“ kritisieren: „Wir zahlen die gleichen Steuern und leben in diesem Land“, sagt Bacher und meint, dass toleriert zu werden einfach nicht genüge und fast beleidigend sei. „Spitz“ sähen beide Frauen auch als persönliches politisches Statement.

Denn Wien sei grundsätzlich „eh sehr queer-freundlich“. „Man ruht sich dann aber gern auf diesem Image aus“, sagt Konrath. Denn zeitgleich würden trotzdem „Menschen noch immer angespuckt“ oder Hassparolen wie „Tötet Schwule“ auf die Rosa Lila Villa (das Wiener Lesben- und Schwulenhaus, Anm.) gesprüht. Dagegen hätte wohl auch Wilhelm Busch protestiert, der bekanntlich der Meinung war: „Toleranz ist gut. Aber nicht gegenüber Intoleranten.“

Stefanie Leodolter, wien.ORF.at

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