Heimopfer: Entschädigung noch bis 31. März

Die Stadt Wien setzt erneut eine Frist für die Zahlung von Entschädigungen an Gewaltopfer in ihren Kinderheimen. Bis 31. März können sich Betroffene noch melden, bisher wurden rund 2.000 Personen unterstützt.

Unterstützung für Opfer

Personen die Gewalt in ehemaligen Einrichtungen der Wiener Jugendwohlfahrt erleiden mussten, können sich an den Weißen Ring unter der Telefonnummer 4000-85918 wenden.

Eine finanzielle Entschädigung können Betroffene noch bis 31. März über die Opferschutzvereinigung „Weißer Ring“ beantragen, gab die zuständige Stadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) am Mittwoch bekannt. Kostenübernahmen von Therapien wird es aber weiterhin geben.

Wehsely betonte, dass es für das erfahrene Leid niemals eine angemessene Entschädigung geben könne: „Ich sehe es als Pflicht der Stadt, das geschehene Unrecht ohne Relativierung anzuerkennen.“ Man habe versucht, die Betroffenen zu entstigmatisieren, ihren Erfahrungen eine Stimme zu geben und ihnen Hilfsangebote zu machen.

Schloss Wilhelminenberg

APA/APA/HERBERT PFARRHOFER

Zu Missbrauch kam es etwa im ehemaligen Kinderheim im Schloss Wilhelminenberg

36 Millionen Euro bisher ausbezahlt

Bisher wurden 2.705 Fälle bearbeitet, in 2.048 davon wurde eine finanzielle Unterstützung beschlossen, zog Marianne Gammer, Geschäftsführerin des „Weißen Rings“, Bilanz. Durchschnittlich bekam jeder Betroffener rund 17.000 Euro - macht in Summe gut 36 Millionen Euro. Weiters wurden in 1.583 Fällen die Kosten für eine Psychotherapie übernommen, was einem Betrag von 8,9 Millionen Euro entspricht. „Einige Klienten verzichten auf eine Psychotherapie“, erklärte Gammer die Differenz zu den Fällen mit Geldauszahlung.

Schloss Wilhelminenberg, Archivaufnahme

ORF

Schlafsaal des Kinderheims am Wilhelminenberg

Psychische und sexuelle Gewalt

Zur Aufarbeitung des dunklen historischen Kapitels der Wiener Jugendwohlfahrt hatte die Stadt in den vergangenen Jahren mehrere Studien in Auftrag gegeben. Die zutage getretenen Vorfälle reichten von sexuellem Missbrauch bis zu sadistischen Bestrafungsmethoden wie das Aufessen von Erbrochenem. Personell wie methodisch habe sich auch hier eine Fortsetzung der nationalsozialistischen Strukturen gezeigt, betonte am Mittwoch Georg Psota, ärztlicher Leiter der Psychosozialen Dienste in Wien. Die Mehrheit der Vorfälle - über 60 Prozent - fiel in den Zeitraum der 1950er- und 1960er-Jahre.

Wehsely: Keine budgetären Gründe für Frist

Beim „Weißen Ring“ langten laut Gammer in den vergangenen sechs Jahren 2.870 Meldungen von Betroffenen ein - mit rückläufiger Tendenz. Dennoch wurden allein 2015 mehr als 30 Meldungen pro Monat registriert, seit Jahresbeginn 2016 waren es bis dato 67. Wehsely sagte, dass man trotzdem irgendwann einmal ein Fristende ansetzen müsse und argumentierte, dass der Anmeldezeitraum in Wien im Vergleich zu anderen Bundesländern sowie zu ähnlichen Einrichtungen in Deutschland sehr lange bemessen war. Die Anmeldefrist war in der Vergangenheit bereits verlängert worden - mehr dazu in Missbrauch in Heimen: Längere Meldefrist.

Einen budgetären Konnex wollte die Ressortchefin keinesfalls gelten lassen. Schließlich läuft die Kostenübernahme für Psychotherapien weiter. „Es werden jene Mittel zur Verfügung gestellt, die notwendig sind. Da gibt es keine Grenze nach oben“, stellte Wehsely klar. Bisher hat der Wiener Gemeinderat in mehreren Tranchen 52,53 Mio. für die Opferhilfe freigegeben. Dieser Betrag werde bei Bedarf noch einmal erhöht werden, versprach die Stadträtin.

„Viele Leben sind zerstört“

Udo Jesionek, Präsident des „Weißen Rings“, sagte in Hinsicht auf das Fristende, dass für viele Betroffene nicht der finanzielle Aspekt im Vordergrund stehe, sondern die Erfahrung, dass endlich jemand zuhöre und das Erzählte ernst nehme bzw. glaube. „Viele Leben sind zerstört worden“, ergänzte Ulla Konrad, Mitglied der Unabhängigen Opferschutzkommission. Untersuchungen zeigten, dass die Betroffenen überdurchschnittlich oft mit psychischen Erkrankungen zu kämpfen hätten, in Frühpension gingen, zerrüttete Beziehungen hätten oder im Gefängnis landeten.

Johannes Köhler, Leiter der MA 11 (Jugendamt), verwies auf zahlreiche Maßnahmen im Bereich der Jugendwohlfahrt. Es gebe heute keine großen Heime - „das waren furchtbare geschlossene Systeme“ - mehr, sondern nur noch kleine Wohngemeinschaften. Außerdem verfüge man über gut ausgebildete Sozialpädagogen. In diese Richtung müsse es auch weitergehen.

Stadt plant „Akt der Entschuldigung“

Wehsely will sich beim Bund außerdem für eine „nationale Gedenkzeremonie“ einsetzen. Sollte diese bis Ende 2017 nicht zustande kommen, werde Wien einen eigenen offiziellen „Akt der Entschuldigung“ setzen, kündigte sie an.

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