Badora: „Geschrei ist immer einfach“

Das Reizwort „Halal“ hat gereicht: Das Volkstheater hat die Uraufführung des Stücks „Homohalal“ verschoben und dafür viel Kritik geerntet. Direktorin Anna Badora erklärte im „Wien heute“-Interview die Hintergründe.

Dieser Tage weht ein rauer Wind rund um das Volkstheater. Eine der zwölf geplanten Premieren in dieser Saison wird so nicht stattfinden, die Uraufführung von „Homohalal“. Ein Stück von Ibrahim Amir, das außerhalb des Volkstheaters noch niemand kennt. Trotzdem sorgt die Änderung des Spielplans für Aufregung und sogar für Abokündigungen - mehr dazu in Volkstheater: „Homohalal“-Premiere abgesagt.

Ensemble regte Änderung an

Direktorin Anna Badora habe einen Rückzieher gemacht, sich dem gesellschaftlichem Druck gebeugt, wird kritisiert. „Völliger Blödsinn. So ein undifferenziertes Geschrei ist immer einfach. Erst einmal muss ich sagen, dass die Anregung, das Stück zu verändern, zu diesem Zeitpunkt und im großen Haus, von den Schauspielern kam. Und ich habe eine volle Bewunderung für unser Ensemble“, so Badora im Interview mit „Wien heute“.

Anna Badora

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Volkstheater-Direktorin Anna Badora

„Wir haben den Text nicht tot gemacht“

Die Schauspieler tragen dadurch, dass sie die Texte auf der Bühne darbieten, eine Mitverantwortung, so Badora: „Sie haben das Stück im heutigen, politischen Kontext thematisiert. Sie haben nicht sofort nach Absetzung geschrien, sondern sie haben uns zu einer unbequemen Auseinandersetzung bewogen. Zu sagen, wir sind bequem und feige, ist lächerlich. Etwas zu machen, was schon festgelegt ist, ist einfach. Etwas zu hinterfragen und sich Mühe geben, um etwas Neues auf die Beine zu stellen, ist immer schwieriger.“

Autor Ibrahim Amir wirft in „Homohalal“ einen Blick in die Zukunft, seine Antworten fallen kritisch aus und legen den Blick frei auf Tendenzen einer Gegenwart, heißt es in einer Aussendung. Geschrieben wurde das Stück vor zwei Jahren. Ausgangspunkt war das Flüchtlings-Protest-Camp in der Votivkirche. Badora wollte das damalige „Randthema“ auf die große Bühne bringen - inzwischen ist aber vieles anders, meint die Direktorin.

„Wir haben den Text nicht tot gemacht, und auch - wie einige Zuschauer behaupten - den Autor nicht tot gemacht. Wir diskutieren mit dem Autor darüber und suchen nach einer Möglichkeit, diesen Text vielleicht mit den authentischen Leuten oder einem Teil dieser Leute, die damals protestiert haben, umzusetzen.“ Es soll auch die aktuelle Kritik am Volkstheater in eine künftige Inszenierung einfließen. „Wir wollen das, was jetzt in der Stadt passiert, auch die Reaktionen auf unsere Absage, thematisieren und suchen eine Form dafür“, so Badora.

Homohalal im Programmheft

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Homohalal im Volkstheater-Programmheft

„Stichwort Flüchtlinge: Alle sind aufgeregt“

Differenzierte Auseinandersetzung ist Badora wichtig, genauso wie ein sorgfältiger Umgang mit den Fragen, die man mit einem Stück aufwirft. „Für uns ist das Wort Differenziertheit in diesen populistischen Zeiten entscheidend. Momentan sind die Leute sehr verunsichert und dankbar für jedes Stichwort, an dem sie sich aufhängen und über das sie sich aufregen können. Stichwort Flüchtlinge: Alle sind aufgeregt.“

Bei der aktuellen Diskussion über „Homohalal“ spricht Badora lieber von einer Verschiebung als einer Absetzung: „Das ist keine Absetzung: Absetzen kann man nur etwas, was fertig auf der Bühne steht. Das ist keine Absage, das ist eine Verschiebung, die wir in voller Verantwortung mit den Schauspielern, mit dem Autor und Regisseur vorgenommen haben, um einen besseren Kontext zu finden, um nicht etwas zu tun, was man nicht tun will.“

Angst vor einem Diskurs habe Badora nicht, im Gegenteil: „Das beweisen wir auch in der Roten Bar, in der wir viele Diskurse anstiften. Aber man muss wissen, was für einen Diskurs man anstiftet, und worüber und mit welchem Mittel - dafür fühle ich mich verantwortlich. Und ich bin sehr froh, dass sich auch mein Ensemble verantwortlich fühlt.“

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