Private Securitys: Angstmache oder notwendig?

Der große Lesesaal der Universitätsbibliothek wird seit kurzem von Securitys bewacht und auch die ÖBB haben ihre Sicherheitskräfte aufgestockt. Wien.ORF.at hat nachgefragt, warum die Nachfrage nach Securitys generell steigt.

Zwei Bombendrohungen gegen Mitarbeiter der Universitätsbibliothek vor etwa einem Monat waren Anlass für ein erhöhtes Sicherheitsaufgebot. Beide Male wurde die Bibliothek geräumt und von Polizeihunden durchsucht. Anschließend wurden private Securitys engagiert, die die Bibliothek ganztägig überwachten. Sie standen abwechselnd vor dem Eingang zum großen Lesesaal und drehten dann ihre Runden darin.

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In der Universitätsbibliothek gab es zwei Bombendrohungen

„Ziel ist es, für die größtmögliche Sicherheit für das Personal, die Studierenden und Besucherinnen und Besucher zu sorgen“, sagt Cornelia Blum, die Pressesprecherin. Mittlerweile sind die Securitys erst abends ab 18.00 Uhr im Einsatz, sowie am Wochenende. Geplant sind aber Überwachungskameras und ein Notfallknopf für das Bibliothekspersonal, so eine Mitarbeiterin gegenüber wien.ORF.at.

150 zusätzliche Securitys für die Bahnhöfe

Auch in den Bahnhöfen der ÖBB wurden die Sicherheitskräfte aufgestockt. Seit Beginn des letzten Jahres wurden zusätzliche 100 Sicherheitskräfte engagiert, aktuell sind damit 385 Personen im Einsatz. 2016 sollen weitere 150 Mitarbeiter folgen, so Michael Braun, der Pressesprecher - mehr dazu in ÖBB stocken Security-Personal auf.

Anders als in der Universitätsbibliothek gab es keinen konkreten Vorfall: „Hier geht es um ein Phänomen, das wir leider schon etwas länger generell beobachten: Obwohl es faktisch keine relevanten Veränderungen von Delikten gibt, zum Beispiel Taschendiebstahl oder Belästigungen, ist das subjektiv empfundene Sicherheitsgefühl bei vielen Menschen an unseren Bahnhöfen gesunken“, sagt Braun.

Bedrohungsgefühl oft ohne konkretes Ereignis

Dieses subjektive Empfinden der Unsicherheit ist nicht nur auf Bahnhöfen feststellbar. „Das Bedrohungsgefühl ist gestiegen, obwohl Statistiken zeigen, dass Verbrechen an Leib und Leben seit Jahrzehnten abnehmen. Die Ereignisse in Köln zu Silvester waren in diesem Zusammenhang sicher ein wichtiger zusätzlicher Punkt“, sagt Saskia Stachowitsch, Politikwissenschaftlerin an der Universität Wien.

Dabei kann laut Stachowitsch das Gefühl, bedroht zu sein, oft auf gar keine konkrete Bedrohung zurückgeführt werden. Es sei mehr eine Dynamik, die entsteht. „Als Beispiel: Wenn alle immer durch den Park gehen, fühlen sich auch alle sicher. Wenn aber immer weniger aus Angst durchgehen, kann es tatsächlich gefährlich werden. Und wenn man das Gefühl hat, bedroht zu sein, dann will man etwas dagegen unternehmen.“

Staatliche Bereiche werden „zurückgeschraubt“

Stachowitsch und Walter Fuchs vom Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie sind sich einig, dass das Bedrohungsgefühl ganz eng mit der sozialen Sicherheit zusammenhängt. „Früher war soziale Sicherheit vermeintlich vorhanden. Momentan besteht das Gefühl, dass diese aber verloren geht. Dieser gefühlte Verlust der Sicherheit geht Hand in Hand mit der Angst vor Kriminalität“, so Fuchs.

In der Folge werden, so die Experten, zunehmend private Sicherheitsfirmen engagiert, um dem subjektiven Gefühl der Bedrohung entgegenzuwirken. Sie kommen in den verschiedensten öffentlichen und halb-öffentlichen Räumen zum Einsatz – etwa vor Juwelieren, in Einkaufszentren oder bei Veranstaltungen.

Securitas-Sicherheitsmann in der Wiener Innenstadt

ORF/ Florian Kobler

Private Securitys werden immer öfter eingesetzt - auch vor Juwelieren

„Es ist ein gewisser Trend, dass sich der Staat zurückzieht, selbst auf dem Gebiet der Sicherheit, was ja ein Herzstück eines Staates ist“, so Fuchs. „Die Zurückschraubung von staatlichen Bereichen haben wir schon in den meisten Bereichen gesehen. Es wird als eine Frage der Effizienz und Kostensenkung verkauft. Der Sicherheitsbereich ist ein Nachzügler dieser Auslagerung“, sagt Stachowitsch.

272 Sicherheitsfirmen in Wien tätig

Anna Borsos, Pressesprecherin von G4S Secure Solutions AG, eine Sicherheitsfirma mit Vertretungen in insgesamt 125 Ländern, betont aber: „Als privates Sicherheitsunternehmen sehen wir uns als eine sinnvolle Ergänzung zur Exekutive, können und wollen diese jedoch keinesfalls ersetzen, sondern lediglich unterstützen, damit diese sich auf ihre Kernaufgabe, der Verbrechensbekämpfung, konzentrieren kann.“

Insgesamt 272 Betriebe sind laut Wiener Wirtschaftskammer im Personen- und Objektschutz in Wien tätig. Alleine G4S Secure Solutions AG beschäftigt in Wien rund 1.400 Mitarbeiter. Eine besondere Ausbildung müssen die Mitarbeiter von Sicherheitsfirmen nicht vorweisen, um tätig zu werden. Ein einwandfreies Leumundszeugnis ist die einzige Voraussetzung.

Fuchs: „Man kann Sicherheit nie erreichen“

„Das Streben nach Sicherheit kann im Endeffekt nie befriedigt werden. Vollkommene Sicherheit ist nicht möglich, weil sie sich immer auf zukünftige Ereignisse bezieht, die man nicht vorhersehen kann. Man kann also Sicherheit anstreben, aber nie erreichen“, so Fuchs. „Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir das wollen, dass wir überall überwacht werden“, so Stachowitsch.

So ist auch die Sinnhaftigkeit einer Überwachung durch Kameras laut Stachowitsch fraglich. Denn: Für den einzelnen Fall, dass etwas passiert, ist es zwar aufgezeichnet, der Preis sei jedoch, dass eben alles überwacht wird. „Diese Diskussion, ob das erwünscht ist, sollte von der Gesellschaft vorgegeben werden, nicht von den Sicherheitsfirmen, die ja ihr Geld damit verdienen und immer damit werben werden, dass man mehr Sicherheit benötigt“, so Stachowitsch.

Lisa Rieger, wien.ORF.at

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