Experte: Statistik benachteiligt Asylwerber

Mehrfachanzeigen und eine verstärkte Aufmerksamkeit führen laut Kriminalsoziologe Arno Pilgram dazu, dass die Anzahl der Anzeigen gegen Asylwerber steigt. Das bedeute jedoch nicht, dass so viele Personen tatsächlich straffällig werden.

Die Zahl der Anzeigen gegen Asylwerber in Wien hat sich laut Kriminalstatistik der Polizei von 2011 bis 2015 von rund 3.000 auf 6.500 mehr als verdoppelt. Allerdings ist in dieser Zeit auch die Zahl der Asylwerber in Wien stark gestiegen - mehr dazu in Polizei: Weniger Anzeigen, höhere Aufklärung.

Das ist aber nicht der einzige Grund für den Anstieg. Denn die „Zählweise der Statistik benachteiligt Asylwerber“, wie Kriminalsoziologe Arno Pilgram im „Wien heute“-Studiogespräch erklärte. So werde die Zahl der straffälligen Asylwerber eher überschätzt.

Doppel- und Mehrfachanzeigen verfälschen Bild

Problematisch ist laut Pilgram, der am Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie arbeitet, einerseits, dass es keine klare Definition der Kategorie Asylwerber gebe. „Darunter werden oft auch Personen subsumiert, deren Asylverfahren bereits beendet ist, deren Asylantrag abgelehnt wurde oder die subsidiären Schutz genießen und nicht abgeschoben werden können“, so Pilgram.

Gespräch mit Kriminalsoziologen Arno Pilgram

Im „Wien heute“-Studio erklärt Arno Pilgram die Ursachen für die gestiegene Anzahl von Anzeigen gegen Asylwerber.

Andererseits erfolgen häufig Doppel- oder Mehrfachzählungen, weil eine kleine Minderheit der Asylwerber mehr als einmal im Jahr angezeigt wird. In der Statistik erfasst werden allerdings Anzeigen, nicht Personen. „Das lässt die Zahl der angezeigten Personen überschätzen“, so Pilgram.

Zudem gibt es laut Pilgram derzeit „sicher einen Fokus auf bestimmte Tätergruppen und Delikte“, die die Zahl der Anzeigen gegen Asylwerber in die Höhe schnellen ließ. Als Beispiel nannte der Kriminalsoziologe die Drogenszene.

Unsicherheit erzeugt Disziplin

Grundsätzlich ist die Zahl der Anzeigen in Wien aber gesunken. Mit diesem Trend ist Österreich nicht alleine - auch in den USA oder anderen europäischen Ländern gebe es diese Tendenz, so Pilgram.

Für den Rückgang sieht der Kriminalsoziologe ebenfalls unterschiedliche Gründe. Einer könnte die derzeitige unsichere weltpolitische und wirtschaftliche Lage sein: „Möglicherweise entfacht die allgemeine Unsicherheit, in der sich die Menschen, vor allem auch junge Leute, derzeit befinden, einen gewissen Disziplinierungsdruck.“

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