Kampusch: Zweifel an Priklopils Suizid

Im Fall Natascha Kampusch ist einem Bericht des „Spiegel“ (Onlineausgabe) zufolge ein neues Gutachten eingereicht worden. Darin werden Zweifel am Suizid ihres Entführers Wolfgang Priklopil geäußert.

Eingereicht wurde das Gutachten von Karl Kröll, dessen verstorbener Bruder Franz Kröll die Sonderkommission Kampusch geleitet hatte. Die Oberstaatsanwaltschaft prüft nun das Gutachten. Der Sprecher der Behörde bestätigte am Dienstag den Eingang der Papiere. Zum Inhalt und zur Qualität gab die Behörde keine Stellungnahme ab. Es werde weiter untersucht, ob die Anzeige gegen unbekannt wegen Mordverdachts überhaupt neue Aspekte enthalte. Wie lange das noch dauern könne, sei unklar.

Kröll hatte bereits Anfang des Jahres im Zusammenhang mit dem Ableben des Kampusch-Entführers Priklopil bei der Staatsanwaltschaft eine Anzeige wegen Mordverdachts eingebracht. Mit dem Gutachten soll dieser Verdacht untermauert werden. „Es wird in unsere Prüfung miteinbezogen“, sagte Sprecher Thomas Haslwanter. Er betonte aber, dass es im Gegensatz zu der Darstellung im „Spiegel“ derzeit keine Ermittlungen in der Causa gebe. Vielmehr werde lediglich überprüft, ob sich durch die Anzeige die Faktenlage überhaupt so weit verändert, dass weitere Schritte eingeleitet werden müssen.

Todesfall „höchst bedenklich zu bewerten“

Das Gutachten wurde laut dem „Spiegel“ von den Rechtsmedizinern Johann Missliwetz und Martin Grassberger erstellt. Es belege, dass der damals zuständige Rechtsmediziner „versäumte, zwischen Selbst- und Fremdtötung zu differenzieren“. In dem Gutachten heiße es, dass „der Todesfall Wolfgang Priklopil als höchst bedenklich zu bewerten und Fremdverschulden auf Basis der vorliegenden Befunde durchaus als möglich zu erachten“ sei.

Der Gerichtsmediziner im Fall Priklopil sei nicht nach den „üblichen rechtsmedizinischen Standards und üblichen Vorgangsweisen, nicht einmal (nach) denen eines durchschnittlich sorgfältigen Facharztes der Rechtsmedizin“ vorgegangen, schreiben Missliwetz und Grassberger laut „Spiegel“ in ihrem Gutachten. Wichtige Untersuchungen seien unterblieben.

Kein technisches Gutachten erstellt

Nach Ansicht von Missliwetz und Grassberger wurden den Angaben zufolge insgesamt sieben Punkte missachtet, die für eine begründete, umfassende und sorgfältige Expertise notwendig gewesen wären. Auch sei kein technisches Gutachten verfasst worden, um eine Korrelation der Verletzungen mit der Fahrzeugfront abzugleichen.

Kampusch war 1998 als Zehnjährige auf dem Schulweg entführt und von Priklopil in einem nicht einmal sechs Quadratmeter großen Kellerverlies bei Wien eingesperrt worden. Im August 2006 gelang ihr nach achteinhalb Jahren Gefangenschaft, in der sie geschlagen und missbraucht wurde, die Flucht. Ihr Peiniger wurde am selben Tag tot aufgefunden, er war von einem Zug erfasst worden. Nach Ansicht der zuständigen Ermittler nahm sich Priklopil das Leben.

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