Ärzte wollen gegen Mystery Shopping klagen

Von „Vertrauensbruch“ und „Bespitzelung“ ist die Rede: Die Wiener Ärztekammer spricht sich nicht nur erneut klar gegen Mystery Shopping in Arztpraxen aus. Sie plant auch, gestützt auf zwei Rechtsgutachten, den Gang vor Gericht.

„Die Sozialversicherung, das heißt der Österreichische Gewerkschaftsbund und die Wirtschaftskammer, haben heute den Spitzelstaat in Österreich genehmigt“, fühlt sich der Präsident der Wiener Ärztekammer, Thomas Szekeres, an DDR-Zeiten erinnert. Auch der Vizepräsident der Wiener Ärztekammer, Johannes Steinhart, lehtn Mystery Shopping in Arztpraxen strikt ab: Das sei ein „unwiderruflicher Vertrauensbruch in der Beziehung zwischen Arzt und Patienten“.

Ärztekammer schlägt Rechtsweg ein

Steinhart, auch Obmann der Kurie für niedergelassene Ärzte, betont, wenn Ärztinnen und Ärzte nicht mehr sicher sein könnten, ob ihnen Patienten oder Schauspieler, die die Sozialversicherung als Testpatienten engagieren will, mit gefakten E-Cards gegenüberstehen, bedeute dies nicht nur zusätzliche Untersuchungen sowie „Sicherheitsüberweisungen“ an Spezialisten – und damit eine zusätzliche Belastung für die Patienten -, sondern es werde auch den Steuerzahlern „eine Menge zusätzliches Geld kosten“.

Nicht zuletzt wegen der befürchteten schwerwiegenden auswirkungen auf Ärzte und Patienten kündigte Steinhart den Gang zum Verfassungsgerichtshof an. Unterstützt wird der Rechtsweg laut Ärztekammer von zwei Gutachten, die der Regelung des Mystery Shoppings eindeutig Verfassungswidrigkeit bescheinigen.

Zwei Gutachten unterstützen Rechtsweg

Verfassungsrechtler Heinz Mayer kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass der entsprechende Paragraf 32a im ASVG und die auf dessen Basis nun erlassene Richtlinie „ohne Zweifel verfassungswidrig“ seien. Begründet wird dies damit, dass die Krankenkassen ohne Anfangsverdacht einen Lockspitzel in die Ordinationen schicken könnten. Diese Lockspitzel dürften aber nicht so weit gehen, dass sie den Arzt zu einer Straftat verleiteten, so Mayer.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Alois Birklbauer vom Institut für Strafrecht der Uni Linz. Er verweist in seinem Gutachten darauf, dass verdeckte Ermittler auch im Bereich des Straf- und Sicherheitspolizeirechts nur bei einem Anfangsverdacht und einer bestimmten Mindestschwere einer Straftat eingesetzt werden dürften. Wenn verdeckte Ermittlungen nun auch ärztliche Qualitätskontrollen umfassten, sei diesen Prinzipien nicht hinreichend entsprochen. Ähnlich wie Mayer betont auch Birklbauer, dass verdeckte Ermittler keine Tat provozieren dürften.

Ärzte-Appell gegen Bespitzelung

Steinhart appelliert nun „ein letztes Mal“ an die verantwortlichen Politiker, die Umsetzung der von Kassenfunktionären erstellten Richtlinien sofort zu stoppen. Ansonsten werde die Ärztekammer den Gang zum Verfassungsgerichtshof antreten, sowie einen entsprechenden Aktionsplan in den Ordinationen starten und sich auch bei Überschreitungen mit allen rechtlich zur Verfügung stehenden Möglichkeiten gegen die Kassenspitzel wehren.

„Es kann doch nicht sein, dass der Einsatz von Spitzel im öffentlichen Bereich sonst nur in einem klaren rechtsstaatlichen Verfahren zulässig ist, die Bespitzelung von Ärztinnen und Ärzten sowie Patienten aber jeder Abteilungsleiter der kontrollierenden Stelle anordnen darf.“

Kontrollen ab 2017 geplant

Das Mystery Shopping bei Österreichs niedergelassenen Ärzten, bei dem verdeckte Kontrollore der Krankenkassen losgeschickt werden, rückt der Realisierung näher. Die Sozialversicherung hat am Dienstag entsprechende Durchführungsrichtlinien beschlossen, nachdem die gesetzliche Grundlage schon seit Jahresbeginn gilt. Bundesweit starten werden die Kontrollen aber wohl erst 2017.

Es geht um Durchführung, Dokumentation und Qualitätssicherung, wie der Hauptverband der Sozialversicherungsträger nach der Sitzung seiner Trägerkonferenz mitteilte. Laut Richtlinie ist vorab von den betreffenden Krankenversicherungsträgern für das jeweils kommende Jahr ein Stichprobenplan zu erstellen, der sowohl die Prüfungsschwerpunkte als auch den Gesamtumfang der Stichproben enthält.

„Sicherungssystem“ mit „Augenmaß“

„Es wird hier nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Vielmehr geht es darum, dass die Sozialversicherungsträger dieses Instrument mit äußerstem Augenmaß einsetzen“, betonte Ingrid Reischl, Vorsitzende der Trägerkonferenz und Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse, in einer Aussendung.

Ähnlich wie Reischl sah das Hauptverbands-Vorsitzende Ulrike Rabmer-Koller. „Unsere Versicherten und auch die Vertragspartner müssen sich darauf verlassen können, dass beim Besuch in der Ordination kein Missbrauch wie etwa das Verschreiben von ungerechtfertigten Krankenständen oder die Ausstellung von Rezepten ohne Arztkontakt passieren kann. Mit Beschluss der Mystery Shopping Richtlinie bauen wir ein Sicherungssystem auf, mit dem wir Sozialmissbrauch aufdecken und schwarze Schafe zur Verantwortung ziehen.“

Das vertraute Verhältnis zwischen Arzt und Patient bleibe von dieser Neuerung völlig unbeeinflusst, wurde betont. Mystery Shopping werde für die Vertragspartner und die Versicherten größtenteils gar nicht bemerkbar sein. Spüren würden die Initiative nur jene, die versuchten, das System auszunutzen, hieß es.

Patientenanwältin für Tests

Dass die „schwarzen Schafe“ unter den Ärzten mittels Testpatienten gefunden werden sollen, wird von Sigrid Pilz unterstützt. Die Wiener Patientenanwältin steht hinter der umstrittenen Maßnahme. Damit würde sichergestellt, dass die Ärzte ordnungsgemäß arbeiten - mehr dazu in oe1.ORF.at.

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