Selbstdarstellung als Geschäftsmodell

Die Selbstdarstellung vieler Menschen und das Basteln der eigenen Lebensgeschichte auf Facebook haben Jan Kossdorff zu seinem neuen Buch „Leben spielen“ inspiriert. Der Wiener Autor geizt darin auch nicht mit Wien-Klischees.

Das Gespräch mit dem Autor Jan Kossdorff findet im Cafe Goldegg im vierten Bezirk statt. Das Goldegg ist ein typisch Wiener Kaffeehaus, mit einer Einrichtung, die sich seit Jahrzehnten nicht großartig verändert hat. Wie das Kaffeehaus stehen auch viele Orte in Kossdorffs Romanen beinahe klischeehaft für die Stadt, in der der Autor aufgewachsen ist und immer noch lebt. Seinen bislang größten Erfolg feierte er 2013 mit „Kauft Leute“, Anfang 2016 veröffentlichte er sein aktuellstes Buch „Leben spielen“.

Jan Kossdorff

ORF/Matthias Lang

Kossdorff lebt auf der Wieden, seine Bücher spielen alle in Wien

Jeder Mensch erfindet sich ein Leben

„Leben spielen“ handelt von zwei Wiener Schauspielern, die einen neuen Zugang zur Kunst finden. Der eine, Sebastian, ist eher glücklos und kommt durch Zufall dazu, Stücke mit zahlenden Kunden in der Hauptrolle zu inszenieren. Der andere, Mischa, ist eigentlich schon aus dem Schauspiel-Business ausgestiegen, um ein „normales“ Leben zu führen. Die Idee seines Freundes fasziniert ihn und so starten sie das Geschäftsmodell.

Dem Roman stellt Kossdorff ein Zitat aus Max Frischs „Mein Name sei Gantenbein“ vorneweg: „Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält“. Für Kossdorff war Frisch allerdings keine Inspirationsquelle. Die Idee kam dem Autor vielmehr über soziale Netzwerke wie Facebook: „Man nimmt stark wahr, wie die Leute sich dort präsentieren und wie sie ihre eigene Geschichte schreiben.“ Der logische Schritt wäre eben gewesen, dass man diese Inszenierung in einem kommerziellen Rahmen durchführt.

Kommerzialisierung als ein Kernthema

Kommerzialisierung ist – neben Wien - eines jener Themen, die alle Romane Kossdorffs verbinden. Kossdorffs Arbeit hatte immer schon mit dem Schreiben zu tun. Er startete als Werbetexter und Journalist. Anfang des neuen Jahrtausends arbeitete er als Content-Manager bei yline. Einem Internetanbieter, der „ziemlich spektakulär an der Börse crashte“, wie Kossdorff bemerkt - mehr dazu in Sechs Freisprüche in YLine-Prozess

Die Zeit bei yline verarbeitete er 2002 in seinem ersten Manuskript zu „Spam! – ein Mailodram“. Einen Verlag fand er allerdings nicht. Veröffentlicht wurde „Spam!“ erst acht Jahre später im Milena Verlag, wo auch sein Debütroman „Sunnyboys“ erschien. Kossdorff war der erste männliche Autor, der beim vormaligen „Ersten Wiener Frauenverlag“ und jetzigen Milena-Verlag verlegt wurde. 2013 erschien Kossdorffs bekanntestes Werk „Kauft Leute“. Hier geht es um die abstrakte Form einer modernen Sklaverei, in der man Menschen in der Shopping City Süd für die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse kaufen kann.

Jan Kossdorff

ORF/Matthias Lang

Kossdorff spielt absichtlich mit Wiener Klischees

Als Neuling hat man es „sauschwer“

Mit jedem Buch steigen die Erwartungshaltungen des Autors an seine Werke. Man will einem breiteren Publikum bekannt werden – und irgendwann davon leben können. Laut Kossdorff können das derzeit wohl etwa fünf Prozent der Autoren. Er selbst arbeitet nebenbei als freier Journalist. „Es ist sauschwer als Neuling in die Buchszene reinzukommen“, erzählt er. Jungautoren empfiehlt er bei Literaturzeitschriften zu beginnen: „Andere schreiben ein tausendseitiges Manuskript, schicken das an fünf Verlage, werden abgelehnt und sind für 15 Jahre frustriert.“

Ein weiterer Fehler, den viele Junge machen, wäre Autoren nachzuahmen. Trotz des Gantenbein-Zitats betont Kossdorff, dass er relativ eigenständige Werke verfasst. Natürlich hätte es Autoren gegeben, die ihn beeindruckt hätten. Diese spannen sich jedoch über ein breites Spektrum - von den russischen Autoren um Tschechow bis zu Douglas Adams. Das einzige Werk, das er entfernt als Inspiration gesehen habe, sei Nick Hornbys „High Fidelity“. Der weitaus größere Einfluss waren Gespräche mit Bekannten, und die Stadt, in der er lebt.

Matthias Lang, wien.ORF.at

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