Hollywood-Musik vom Rosenhügel

Am Gelände der alten Rosenhügelstudios in Wien-Liesing entsteht nun Musik für große Film- und Fernseh-Produktionen. Das Hightech-Aufnahmestudio ist in der ehemaligen Synchronhalle untergebracht.

Die Synchronhalle wurde Anfang der 1940er Jahre errichtet und musste damals höchsten akustischen Ansprüchen genügen. Schließlich hätten die Nazis damals geplant, Wien neben Berlin und München als drittes Filmzentrum zu etablieren, sagte Stefan Steinbauer, Sales Manager der Stage: „Man wollte sogar einen Flughafen hier bauen, um die UFA-Stars für Aufnahmen schnell einfliegen zu können.“

Bis 1955 wurden in der 540 Quadratmeter großen Halle Filme vertont. Während vor dem laufenden Streifen das Orchester spielte, saßen im ersten Stock die Geräuschemacher und Schauspieler, um eventuell Nachsynchronisationen aufzunehmen. Sie konnten durch ein Fenster ebenfalls auf die Leinwand sehen. Ab den 1960er-Jahren fanden im Akustiktempel Schallplattenproduktionen auch von Herbert von Karajan oder Karl Böhm statt. Zuletzt diente das Bauwerk den Vereinigten Bühnen Wien als Probebühne.

„Inferno“-Musik als erster Erfolg

Im Zuge des Verkaufs des gesamten Rosenhügelareals übernahm 2013 die Vienna Symphonic Library - das Unternehmen verdient sein Geld als eine Art digitales Archiv von 2,5 Millionen Instrumententönen in allen erdenklichen Tonleitern und Intensitäten - die Synchronhalle mit dem Ziel, das Juwel gründlich aufzumotzen und wieder seiner ursprünglichen Bestimmung zuzuführen.

Zehn Millionen Euro hat man in das Projekt gesteckt, rechnete Geschäftsführer Herbert Tucmandl vor. Viel Geld hat nicht zuletzt die Klimaanlage gekostet, die extra leise sein muss. Mehrere Monate wurde an einem speziellen System getüftelt. In zehn Jahren sollen die Gesamtinvestitionen wieder herinnen sein, hofft er.

In den vergangenen Monaten wurde der Betrieb schrittweise hochgefahren. Und erste Erfolge konnte man schon verbuchen: So ließ Hollywood das Streicherarrangement von „Inferno“ über das Unternehmen des Filmmusikkomponisten Hans Zimmer, Remote Control Productions, einspielen - mehr dazu in Hollywood setzt auf Musikstadt Wien (wien.ORF.at; 15.3.2016)

Produktion aus Kostengründen in Europa

Außerdem hat man in Wien die musikalische Untermalung für die erste Staffel der Netflix-Serie „The Crown“ erfolgreich abgewickelt. „Auf Hollywood liegt unser Hauptfokus“, erklärt Steinbauer. Denn dort hat man in der Regel mehr Geld für den Sound als bei europäischen Produktionen.

Hat das Zentrum der amerikanischen Filmindustrie keine eigenen Studios? „Doch, aber Amerika produziert aus Kostengründen gern in Europa“, erklärt Tucmandl. Denn in Hollywood gebe es strenge Tantiemenregelungen, was die Kosten in die Höhe treibe. Kunden gibt es bereits auch aus Frankreich oder dem asiatische Raum - hier vor allem im Bereich groß orchestrierter Videospiele. Einen Auftrag für eine große österreichische Produktion gibt es ebenfalls, Details wurden noch nicht genannt.

Schlagwerksammlung mit 280 Instrumenten

Bis zu 130 Musiker haben in der großen Halle Platz. Der 300 Profis umfassende Orchesterpool setzt sich unter anderem aus Mitgliedern der Philharmoniker, Symphoniker oder des Wiener Kammerorchesters zusammen. Besonders stolz ist Steinbauer auf die rund 280 Instrumente umfassende Schlagwerksammlung - von der Kuhglocke bis zum Riesengong. Die allein habe Hunderttausende Euro gekostet. Daneben bietet man zwei Konzertflügel. Blech-, Holz- oder Streichinstrumente nehmen die Musiker in der Regel selber mit.

Noch nicht einsetzbar und trotzdem ein Gustostückerl des Hauses ist die sogenannte Kinoorgel. Diese historische Kostbarkeit wurde nicht nur als herkömmliches Musikinstrument, sondern auch als Geräuschemaschine bei Filmsynchronisationen verwendet. Dank Spezialtasten und ausgeklügelter Instrumentenverbauung konnten beispielsweise Regen, Trommelkrach, Pferdegetrappel oder Schiffsirenen imitiert werden.

Das Wunderwerk soll bald saniert werden, wobei auch hier ein sechsstelliger Betrag anfallen wird, prophezeit Steinbauer. Und sie soll auch wieder für Filmmusik eingesetzt werden. Schließlich seien „Vintage Sounds“ bei modernen Produktionen wieder gefragt, nennt der Sales Manager etwa „Inception“ oder „Interstellar“ als Beispiele.

Außenfassade soll saniert werden

Abgesehen von der Orgel will Geschäftsführer Tucmandl in absehbarer Zeit auch die Außenfassade des Gebäudes auf Vordermann bringen. Dass man die (Wieder-)Eröffnung der Halle überhaupt feiern kann, liegt nicht zuletzt am Denkmalschutz. Wobei dieser das Gebäude offenbar in letzter Minute vor dem Abriss gerettet hat, wie Steinbauer erzählt: „Die Legende sagt, dass die Polizei damals den Bescheid mit Blaulicht übergeben hat, weil die Bagger schon aufgefahren waren.“

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