Craft Beer mischt Wiens Bierkultur auf

Biergourmets freuen sich über den anhaltenden Craft-Beer-Trend. Biermessen, Brewpubs und Fachgeschäfte erobern die Szene. Große Braukonzerne bieten Kreativbiere, um auch mitzumischen. Doch wie langlebig ist der Trend?

Der Begriff „Craft Beer“ ist in aller Munde. Er steht für Bier aus kleinen, unabhängigen Brauereien, das in den letzten Jahren immer mehr zum Trendgetränk avancierte. Es ist eine Gegenbewegung zum Einheitsbier der großen Konzerne, denn abseits vom deutschen Reinheitsgebot scheint in der Braukunst viel Raum für Kreativität zu sein. Der Trend stammt aus den USA und gelangte über Deutschland nach Österreich. Auch die Wiener Bierkultur lebt durch das Craft Bier Fest, neue Brewpubs und Bierfachgeschäfte auf.

Beer Store Vienna

Theresa Loibl

In der Lounge des Vienna Beer Store kann man Hunderte Craft-Beer-Sorten kosten

Deutsches Reinheitsgebot behindert Kreativität

Der Beer Store Vienna in Wien-Meidling beispielsweise bietet seit November 2014 - neben Equipment und Rohstoffen für Hobbybrauer - zwischen 230 und 240 verschiedene Biersorten, je nach Saison. Etwa die Hälfte davon stammt aus Österreich. Johannes Grohs, diplomierter Biersommelier, hält den Craft-Beer-Boom für mehr als einen Trend. Er beobachtet eine nachhaltige Entwicklung der österreichischen Bierkultur in Richtung Experimentierfreudigkeit und Aromenvielfalt. Seiner Einschätzung nach findet man nur etwa drei Prozent der heimischen Biervielfalt in herkömmlichen Supermärkten.

Der Bierfachmann beklagt vor allem das deutsche Reinheitsgebot als bloße Marketingfloskel. Deutsche Brauereikonzerne könnten beim Brauen Chemikalien verwenden und ihr Bier als ‚rein‘ verkaufen, solange sie diese wieder herausfiltern, sagt er. Sie könnten helle Biere sogar färben und als dunkle verkaufen, so Grohs. Doch wenn ein unabhängiger Brauer beispielsweise Haferflocken verwenden möchte, um sein Produkt cremiger zu gestalten, dürfte er es nur als „Biermischgetränk“ anbieten.

Veranstaltungshinweis:

Braukultur-Wochen, 30. Juni bis 31. August, Ottakringer Brauerei, Ottakringer Platz 1, 1160 Wien

Grohs findet die Regelung in Österreich besser. Hier dürfen alle Zutaten, die als Lebensmittel gelten, zum Brauen verwendet werden. Er selbst stellt in der hauseigenen Brauerei Next Level Brewing unter anderem rotes Hibiskusblütenbier her, das sich von den üblichen India Pale Ales und Stouts, die viele Craft-Beer-Brauer anbieten, deutlich unterscheidet. Ab dem 11. August können Grohs’ Kreationen bei den Braukultur-Wochen in der Ottakringer Brauerei gekostet werden.

Beer Lovers

Theresa Loibl

Bei Beer Lovers finden im hinteren Geschäftsbereich Verkostungen statt

„Österreich ist da ein bissl engstirnig“

Kaum ein Jahr nach der Eröffnung des Vienna Beer Store erschien der große Biermarkt Beer Lovers auf der Bildfläche und wurde prompt zu seinem schärfsten Konkurrenten. Der Ableger des Getränkegroßhandels Ammersin freut sich über konstant hohe Verkaufszahlen. Auch Jenni Lippl, Biersommelier bei Beer Lovers, hält den Craft-Beer-Trend für ein bleibendes Phänomen, wobei sie dem heimischen Biermarkt eine gewisse Trägheit diagnostiziert. „Österreich ist da ein bissl engstirnig“, sagt sie.

Vor allem in der Kulinarik sieht die Bierexpertin Aufholbedarf. Schließlich passt zu jeder Speise ein anderes Bier. Das Geschäft in der Nähe des Naschmarktes bietet dafür eine Auswahl aus über 1.300 Kreativbieren aus aller Welt. Darunter Bier mit Champagnerhefe, Sauerbiere, im Holzfass gereifte Biere und vieles mehr. Ab September soll auch eine Eigenkreation in den Regalen des Bierfachgeschäfts zu finden sein, verspricht Lippl. Vielleicht kann es auch noch auf der nächsten Biermesse vorgestellt werden.

Micky Klemsch

Craft Bier Fest Wien

Micky Klemsch organisiert seit 2014 das Craft Bier Fest

Große Braukonzerne möchten „mitschwimmen“

Das Craft Bier Fest beispielsweise findet im November bereits zum sechsten Mal statt. Organisiert wird es von den Bierenthusiasten Micky Klemsch, Kevin Reiterer und Thomas Nussbaumer. Bei der letzten Veranstaltung waren 45 Brauer und über 7.000 Biergourmets zu Gast. Klemsch sieht darin einen Hinweis, dass die Craft-Beer-Bewegung im Lifestylebereich angekommen ist. Man wolle weg vom billigen Massenprodukt, hin zu einem kultivierten Genussmittel, so der Bierkenner.

Veranstaltungshinweis:

Craft Bier Fest Wien am 18. und 19. November, 15.00 Uhr bis 23.00 Uhr in der Marx-Halle, Karl-Farkas-Gasse 19, 1030 Wien

Auch unter Brauereien merkt man die Veränderungen. Während einige kleine Brauer und Wanderbrauer Bier nur als Nebenerwerb herstellen können, müssen andere wie die Gablitzer Brauerei und Gusswerk ihre Betriebe aufgrund des anhaltenden Erfolgs laufend vergrößern. Auch etablierte Braukonzerne möchten „mitschwimmen“ und bieten neben ihren Massenprodukten auch Kreativschienen an. Lediglich die Gastronomie hinkt etwas hinterher. Nur einige wenige Betriebe bieten Craft Beer an, doch die dafür umso intensiver. „Momentan ist noch viel Luft nach oben“, sagt Klemsch.

Theresa Loibl, wien.ORF.at

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