Der lange Weg zur Barrierefreiheit
Der Weg ist offenbar noch weit: Es habe sich nicht so viel getan wie erhofft, zieht der Behindertenverband ÖZIV eine Zwischenbilanz. Eine neue Studie des Verbands macht deutlich, wie groß der Handlungsbedarf ist. Sie nimmt die zehn größten Einkaufsstraßen der Stadt genauer ins Visier.
Zehn größte Einkaufsstraßen untersucht
Im Abstand von zwei Jahren - 2014 und heuer im Frühling - wurden die zehn größten Einkaufsstraßen der Stadt auf die Barrierefreiheit hin untersucht. Fazit: Nur 44,5 Prozent aller geprüften Geschäfte sind stufenlos zugänglich. Vor zwei Jahren waren es circa 41 Prozent. Ein Zuwachs von nur drei bis vier Prozent sei „nicht so berauschend“, zieht Rudi Maisriml vom ÖZIV gegenüber Radio Wien Bilanz: „Da hätten wir uns mehr erwartet.“
ORF
Für die Erhebung wurden 1.700 Geschäftslokale untersucht. Nur in drei Einkaufsstraßen gibt es demnach deutliche Fortschritte: In der Landstraße im dritten Wiener Bezirk gab es die größte Steigerung. Auch in der Simmeringer Hauptstraße kletterte der Anteil um elf Prozentpunkte auf 36 Prozent. Und auf der Mariahilfer Straße im sechsten Bezirk sind mittlerweile 70 Prozent der 307 untersuchten Eingänge stufenlos zugänglich. Problematisch sei es hingegen nach wie vor auf der Josefstädter, Alser und Ottakringer Straße.
Sorgenkind Gastronomie
Kleine Geschäfte und vor allem die Gastronomie gelten als die größten Sorgenkinder. Bei den Lokalen und Gasthäusern habe sich gar nichts bewegt. Es hätte „in sehr, sehr vielen Fällen die Möglichkeit gegeben, etwas zu ändern“, zeigt sich Maisriml enttäuscht. Als Ausnahme nennt er einzig die Systemgastronomie. Vorbildlich seien auch manche großen Supermarktketten und Banken sowie die Einkaufszentren: Sie seien zu 100 Prozent barrierefrei zugänglich.
Man könne nur informieren, aber niemanden zwingen, sagt die Wiener Wirtschaftskammer. Sie stellte den Geschäftsleuten 200 mobile Eingangsrampen gratis zur Verfügung. Diese seien schnell weggewesen, heißt es. Die Unternehmen könnten sich hinsichtlich baulicher Maßnahmen und anderer Fragen aber jederzeit in der Kammer beraten lassen - zwei Beratungsstunden sind kostenlos.
Rechtsweg als nächster Schritt
Es ist möglich, sich auf dem rechtlichen Weg wegen einer Diskriminierung zu wehren. Präzedenzfälle gebe es aber noch keine, so Maisriml. Das könnte sich aber bald ändern: Denn mit dem Ende der Übergangsfrist müsse man sich da „etwas überlegen“: „Klagen wird sicher eine Seite sein. Motivations-, Sensibilisierungs- und Aufklärungsarbeit ist eine andere Seite. Man wird beides versuchen müssen als Interessensvertretung.“
Maisriml gibt aber auch Probleme bei der Auslegung des Behindertengleichstellungsgesetzes zu bedenken. Denn bei der Beseitigung von Barrieren gelten die Grundsätze der „Zumutbarkeit“ und der „Verhältnismäßigkeit“. Die Studie will der Verband fortsetzen und in zwei Jahren erneut kontrollieren. Denn: „Man muss mehr evaluieren.“
Seit 1. Jänner sollten alle öffentlich zugänglichen Geschäfts- und Amtsgebäude barrierefrei sein. Trotz einer langjährigen Übergangsfrist gibt es aber nach wie vor Stellen, an denen es Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer schwer haben - mehr dazu in Barrierefreiheit fehlt noch häufig.