Graffiti: Plattform für Kunst mit Ablaufdatum

Ob legal oder illegal, Graffitis finden sich in Wien an vielen Stellen. Einige der Kunstwerke werden schnell übersprüht oder verschwinden ganz aus dem Stadtbild. Die Plattform „Spraycity“ bewahrt diese Werke für die Zukunft.

„Weil die Graffiti-Bilder schnell übermalt werden, ist es wichtig, davon Fotos zu machen. Deshalb ist Spraycity entstanden, um die Kurzlebigkeit und Veränderung der Bilder zu dokumentieren und für die Zukunft zu erhalten“, so Stefan Wogrin, Gründer der Internetplattform Spraycity im wien.ORF.at-Interview. Der Kunstgeschichtestudent geht zweimal pro Woche mit seiner Kamera auf die Suche nach neuen Bildern. Diese lädt er dann auf seine Website, um die Bilder für alle zugänglich zu machen.

Während auf Spraycity im Gründungsjahr 2001 nur etwa 100 Fotos online waren, wuchs die Zahl in den darauf folgenden Jahren sprunghaft. Neben Tausenden Bildern aus internationalen Städten befinden sich aktuell über 21.000 Bilder aus Österreich, von denen etwa 17.000 in Wien aufgenommen wurden, auf der Plattform. Auch die Zugriffszahlen sind mit der Zeit gestiegen. An Update-Tagen, an denen der Student neue Bilder hochlädt, sind es etwa 2.000 Klicks am Tag.

„Tags“ als Graffiti-Grundform

Graffitis sind aus unserem Stadtbild fast nicht mehr wegzudenken. Selbst an ungewöhnlichen Stellen haben die Sprayer ihre abstrakten Kunstwerke hinterlassen. Das originale Graffiti besteht aber ausschließlich aus Buchstaben. „Die Grundform vom Graffiti ist eigentlich der Tag (engl. tag = Markierung, Etikett), also der Schriftzug mit dem Namen des Sprayers. Auf den baut dann alles auf. Figürliche Elemente sind dann nur Ergänzungen, damit das Ganze auch für andere Personen leichter zugänglich wird“, so Wogrin.

Unter den Künstlern aus Wien finden sich auch bereits international anerkannte Sprayer. Der österreichische Graffiti-Künstler Nychos hat beispielsweise eine eigene Galerie und war mit seinen Ausstellungen bereits in Amerika vertreten. Bei seinen Werken baut Nychos unter anderem sehr viele grafische Elemente ein. Dadurch fällt er jedoch fast schon in den Bereich der Street-Art, bei der weniger die Schriftzüge im Vordergrund stehen, sondern eher Figuren und Formen.

Projekt sammelt legale Sprayplätze

Graffiti ist in den 1970er Jahren in Nordamerika erstmals richtig populär geworden. Über Galerien, die mit ihren Ausstellungen auch Künstler aus New York nach Europa holten, wurde Graffiti auch bei uns langsam bekannter. In Wien gab es in den 1980er Jahren nur eine Handvoll Sprayer. Die Wand beim Lokal Flex am Donaukanal war aber immer schon Ausgangspunkt der Graffiti-Szene.

„Es gibt in vielen Städten legale Graffiti-Plätze, aber die Stadt Wien fördert das im Gegensatz zu anderen europäischen Hauptstädten besonders. In Wien gibt es im Vergleich auch ziemlich viele legale Flächen“, so Wogrin. Die größte Fläche mit insgesamt vier Wänden findet sich am Donaukanal. Aber auch auf dem Yppenplatz und in Stadlau gibt es legale Wände. Das Projekt „Wienerwand“ kennzeichnet legale Flächen in ganz Wien mit einem Taubensymbol, diese Bereiche stehen ab dann allen Sprayern frei zur Verfügung.

legales Graffiti am Donaukanal

Stefan Wogrin / spraycity.at

Die bunten Mauern am Donaukanal sind bereits Teil des Stadtbildes geworden

Trotz der zur Verfügung gestellten Wände werden immer wieder illegal Plätze besprüht - allen voran Züge. Während 1984 New Yorker Künstler extra nach Wien geholt wurden, um eine Straßenbahn legal anzumalen, werden Graffitis auf öffentlichen Verkehrsmitteln heutzutage nicht gerne gesehen. U-Bahnen werden, noch bevor die Öffentlichkeit sie zu Gesicht bekommt, gereinigt. Besprühte S-Bahnen fahren dagegen bis zu einer Woche lang durch die Gegend - mehr dazu in Wiener Linien: Kontrollen gegen Sprayer.

„Offline“-Magazin und Buchstabenbilder

Um die Kurzlebigkeit der Graffitis auf Zügen dreht sich das von Stefan Wogrin gegründete Magazin „Offline“, dessen fünfte Ausgabe gerade in Arbeit ist. Darin finden sich auf 64 Seiten exklusive Bilder, die auf der Internetplattform nicht zu sehen sind. Während der Student die S-Bahnen selbst abfotografieren kann, ist er bei den U-Bahnen auf die Mithilfe der Sprayer angewiesen. Die Fotos, die direkt nach oder während des Sprayens entstehen, bekommt er anonym zugesandt.

Neben der Zeitschrift plant Wogrin auch eine weitere Ausstellung. „Buchstabenbilder“ hieß seine letzte, die von 23. bis 30. April dieses Jahres in der Oxymoron Galerie zu sehen war. Dabei war es Wogrin ein Anliegen, die Tags in den Mittelpunkt zu stellen. Dazu befestigte er 858 verschiedene Tags, die er zuvor komprimiert und in Schwarz-Weiß umgefärbt hatte, nebeneinander.

„Die meisten Leute denken, das wären nur Schmierereien, die man nicht lesen kann. Durch die Installation hat man dann schön gesehen, dass es eben nicht nur eine Schmiererei ist, sondern auch sehr viel künstlerische Arbeit dahintersteckt“, so Wogrin.

Ausstellung "Buchstabenbilder"

Stefan Wogrin / spraycity.at

Insgesamt 858 verschiedene Tags reihte Stefan Wogrin nebeneinander auf

Kunst oder Vandalismus?

Wogrin bietet den Usern von Spraycity neben den Fotos auch einen Blog an. Darauf findet man unter anderem ein Archiv mit Medienberichten über Graffiti ab 2001. Wogrins privates Archiv reicht sogar bis ins Jahr 1984 zurück. Beim Durchstöbern des Archivs wird deutlich, dass Graffiti ein sehr kontroverses Thema ist und sehr häufig eine negative Konnotation hat. Erst unlängst besprühten Vandalen das Johann-Strauß-Denkmal in Wien und warfen damit auf die gesamte Graffiti-Szene ein schlechtes Licht - mehr dazu in Pokemon: Johann-Strauß-Denkmal besprüht.

„Das ist so ein Beispiel, bei dem man das schon trennen sollte. Das ist in meinen Augen wirklich nur Schmiererei und hat mit Graffiti nichts zu tun. Wenn du einen Tag sprühst, überlegst du dir ja wenigstens etwas dabei. So etwas hat keine Idee dahinter und das wird leider oft vermischt. Das ist wirklich ein bisschen schade“, so Wogrin zu dem Vorfall.

Wogrins Hoffnung ist, dass auch das Graffiti-Writing in Zukunft mehr Anerkennung bekommt. Street-Art, die mehr auf grafischen Darstellungen beruht, hat bereits breiteren Zuspruch gefunden. „Ich glaube Street-Art wird auch einfach deswegen mehr akzeptiert, weil die Leute zu Bildern mit Figuren einen leichteren Zugang finden und sie besser verstehen als reine Buchstabenbilder“, so Stefan Wogrin.

Christina Weigl, wien.ORF.at

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