Tödliche Messerstiche: Sechs Jahre Haft

Im Landesgericht ist am Montag ein 40-jähriger Mann zu sechs Jahren Haft verurteilt worden, der 2015 am Praterstern zwei algerische Asylwerber niedergestochen hat. „Es ist wegen einer Dummheit passiert“, sagte der Angeklagte.

Die Anklage wegen Mordes und versuchten Mordes wurde von den acht Geschworenen einstimmig verworfen. Für die Laienrichter mangelte es demnach am Tötungsvorsatz. Stattdessen wurde der Mann wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung, in einem Fall mit Todesfolge, zu sechs Jahren Haft verurteilt. Der Verteidiger erbat Bedenkzeit, die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab. Das Urteil ist daher nicht rechtskräftig.

Der gebürtige Serbe, der in Begleitung eines Freundes am Heimweg war, wurde in der Nacht auf den 11. September 2015 vor dem Bahnhofsgelände Praterstern von einer Frau auf Substitol angesprochen. Weil diese nicht von ihm abließ und er vor allem von ihrem Rottweiler bedrängt wurde („Ich habe eine Phobie vor Hunden“), versetzte er ihr schließlich eine kräftige Ohrfeige, so dass sie zu Boden fiel. Mehrere junge Algerier, die die Szene beobachtet hatten, nahmen die Verfolgung des 40-Jährigen auf. Sie wollten ihn offenbar zur Rede stellen.

Ein 39-jähriger Mann muss sich am Montag, 08. August 2016, wegen Mordes im Landesgericht verantworten, nachdem er am 11. September 2015 am Praterstern zwei Asylwerber niedergestochen hatte.

APA/Hochmuth

Angeklagter wollte algerischen Asylwerbern angeblich nur Angst machen

Geschworene glaubten nicht an Notwehr

Der 40-Jährige - er war immer wieder illegal nach Österreich gekommen, um sich hier als Gelegenheitsarbeiter zu verdingen - erklärte dem Schwurgericht am Montag, er habe sich von den Männern bedroht gefühlt, „weil sie so viel herumgeschrien haben“. Weil die anderen in der Überzahl waren, habe er sich „nicht richtig“ verteidigen können.

Als ihm auch noch einer auf den Rücken sprang, habe er sein Messer gezogen, schilderte der Angeklagte: „Ich habe es aufgeklappt, damit sie es sehen. Ich wollte ihnen Angst machen.“ Dessen ungeachtet habe einer der Algerier nach seiner Hand gegriffen. Beim Versuch, sich loszureißen, müsse er zwei Männer mit der Waffe erwischt haben: „Ich wollte sie nicht stechen. Ich wollte niemanden verletzen.“

Diese vom Angeklagten behauptete Notwehrsituation nahmen die Geschworenen ihm allerdings nicht ab, sodass ein Strafrahmen von fünf bis zehn Jahren zum Tragen kam. Mildernd war vor allem der Umstand, dass sich der gebürtige Serbe am 22. Oktober wieder nach Wien begeben und freiwillig der Polizei gestellt hatte. „Es ist nicht anzunehmen, dass er in Serbien unter großem Fahndungsdruck gestanden ist“, billigte ihm Richter Andreas Böhm in der Urteilsbegründung zu. Der Europäische Haftbefehl war erst eine Woche zuvor erlassen worden - mehr dazu in Mutmaßlicher Mörder stellte sich.

Mit Messer in Auge gestochen

Die Schilderung des Angeklagten am Montag stand außerdem im Widerspruch zu den Angaben des 40-Jährigen bei der Polizei und seiner Version im Zuge eines gerichtlichen Lokalaugenscheins, wo er zwar auch von einem gegen ihn gerichteten Angriff, aber durchaus zielgerichteten Stichen gesprochen hatte. Fest steht, dass er zunächst einem 35-Jährigen einen Bruststich versetzte.

Der Schwerverletzte lief noch rund 150 Meter, ehe er zusammenbrach. Eine Notoperation rettete ihm das Leben. Weniger Glück hatte ein 37-Jähriger, dem das Messer ins Auge und den Oberbauch drang. Aufgrund des Stichs ins Gesicht erlitt der Mann eine Hirnlähmung, die selbst dann tödlich verlaufen wäre, wenn der Betroffene sofort auf einen Operationstisch gekommen wäre, wie Gerichtsmediziner Christian Reiter erläuterte - mehr dazu in Mann starb nach Messerattacke. Beide Algerier waren übrigens unbewaffnet.

Tatort beim Praterstern

ORF

Spuren nach der Messerattacke in der Nordbahnstraße

Staatsanwältin: Angeklagter ohne Verletzungen

„Wo die Notwehr herkommen soll, weiß ich nicht. Der Angeklagte hatte keine objektivierten Verletzungen“, führte auch die Staatsanwältin ins Treffen. Für sie lag nahe, dass Mord bzw. versuchter Mord gegeben waren: „Meiner Meinung nach will man jemanden töten, wenn man einem ins Auge und den in den Oberkörper sticht.“ Dieser Meinung schlossen sich die Geschworenen allerdings nicht an.

Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft in dieser Sache allerdings Anklage wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung erhoben. In einer ersten Verhandlung Ende Mai fällte ein Schöffensenat aber ein Unzuständigkeitsurteil, da für das Gericht auf Basis der gerichtsmedizinischen Feststellungen ein Tötungsvorsatz nicht auszuschließen war. Damit wurde zwingend die Befassung eines Schwurgerichts nötig.

Zeugen blieben Verhandlung großteils fern

Der Angeklagte beteuerte am Ende seiner ausführlichen Befragung, dass ihm das Ganze leidtue: „Jeden Tag in der Haft träume ich davon. Es ist wegen einer Dummheit passiert.“ Auf den Großteil der Zeugen wartete das Schwurgericht am Montag allerdings vergeblich. Der 35-jährige Algerier, der im Unterschied zu einem Landsmann einen Bruststich dank einer Notoperation überlebt hatte, kam seiner Ladung eben so wenig nach wie drei weitere Landsleute.

Auch die Frau, die der Angeklagte vor den Stichen geohrfeigt hatte, blieb dem Verfahren fern. Notgedrungen mussten daher ihre Angaben vor der Polizei verlesen werden. Dabei hatte der Schwerverletzte den Beamten versichert: „Wir hatten nicht vor, mit ihm (dem Angeklagten, Anm.) zu streiten. Wir wollten nur mit ihm reden.“

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