Spitalsärzte sind streikbereit

Die Wiener Spitalsärzte sind zu 92,78 Prozent bereit zu einem Streik. Das ergab die Abstimmung der Ärztekammer. Nun wird die Kammer das weitere Vorgehen in der Causa Arbeitszeiten in einer Sondersitzung beraten.

Von den 2.313 abgegebenen Stimmen - das ergibt eine Beteiligung von 63,49 Prozent - erklärten 2.146, sich gegebenenfalls an einem Streik beteiligen zu wollen. 86 sprachen sich gegen einen Streik aus, 81 Stimmen waren ungültig. Auf Basis dieses Ergebnisses wird die Kurie angestellte Ärzte in einer außerordentlichen Sitzung am Mittwoch das weitere Vorgehen beraten und eventuell entsprechende Protestmaßnahmen beschließen. Die Ärzte hätten „ein klares Machtwort“ gesprochen, so Wiens Kammerpräsident Thomas Szekeres.

Grund für die Abstimmung: 40 Nachtdienste sollen wegen der neuen Arbeitszeitregeln gestrichen werden. Der Krankenanstaltenverbund (KAV) argumentiert damit, dass so tagsüber mehr Patienten versorgt werden könnten. Außerdem sei das auch so mit der Ärztekammer vereinbart worden. „Selbstverständlich sind wir für Verhandlungen. Wir sind dafür, dass die Maßnahmen zurückgenommen werden“, so Szekeres.

Demo der Ärzte

APA / Herbert Pfarrhofer

Gehen die Ärzte wieder auf die Straße?

Rahmenbedingungen „noch nicht geschaffen“

Die Ärztekammer sieht das freilich anders. Die Nachtdienste würden ersatzlos gestrichen, und das ohne die vereinbarte Zustimmung des Personals. Außerdem seien die vereinbarten Rahmenbedingungen wie der Ausbau des Ärztefunkdiensts und die Einrichtung Zentraler Notaufnahmen noch nicht weit genug vorangeschritten, wird argumentiert. Die Ärztekammer war darüber erbost genug, um die Spitalsärzte in Wien online über weitere Proteste abstimmen zu lassen - mehr dazu in Spitalsärzte stimmen über Streik ab.

„Wir sehen wachsende Wartezeiten sowohl auf Termine als auch auf Operationen als auch in den Ambulanzen selbst. Es macht keinen Sinn, die Leistungen herunterzufahren, während Wien rasant wächst und die Menschen auch älter werden“, sagte Wiens Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres im Ö1-Morgenjournal.

Rund 3.600 Ärztinnen und Ärzte waren stimmberechtigt. Die Abstimmung stand unter notarieller Aufsicht. Eine vergleichbare Umfrage zum Thema Streikbereitschaft war bereits 2015 durchgeführt worden. Damals hatten sich 93,45 Prozent der befragten Mediziner für mögliche Kampfmaßnahmen ausgesprochen.

KAV nimmt Ergebnis zur Kenntnis

Man nehme das Ergebnis der Abstimmung zur Kenntnis und erkenne "darin vor allem noch bestehende Verunsicherung und Sorgen der Ärztinnen und Ärzte, was die neuen Dienstzeiten betrifft“, so KAV-Generaldirektor Udo Janßen. An der Umsetzung des vereinbarten Pakets führe allerdings kein Weg vorbei. „Wir fühlen uns an die Vereinbarung gebunden und erwarten das Gleiche von der Ärztekammer.“

Teil dieser Abmachung sei, dass die Spitalsärzte seit über einem Jahr ein um 30 bis 50 Prozent höheres Gehalt ausbezahlt bekommen. „Jetzt ist es höchst an der Zeit, dass auch der andere Teil der Vereinbarung - nämlich eine Reduktion der Nachtdienste, dafür aber eine höhere Tagespräsenz - umgesetzt wird“, so Janßen.

Zankapfel Nachtdienstreduktion

Die Reduktion der Nachtdienste von 135.000 auf 100.000 ist eine jener Maßnahmen, die nach monatelangen Streitereien zwischen Stadt Wien und Ärztekammer über die Umsetzung des neues Arbeitszeitgesetzes für Spitalsärzte vereinbart wurden. In dem nach langer Debatte doch geschnürten Paket einigte man sich unter anderem darauf, die Zeiten der Nachtdienste zu verändern - früher galt bereits ein Dienst am Nachmittag als Nachtdienst - und die dadurch entstehenden tatsächlichen Nachtdienste zu kürzen. Die Kapazitäten sollten dafür am Tag zur Verfügung stehen.

Genau das sei auch der Plan für die nun zur Streichung vorgesehenen Dienste, betonte der KAV zuletzt. Dort hat man wenig Verständnis für das Vorgehen der Ärztekammer und wartet nun das Ergebnis der Befragung ab. Auch Patientenanwältin Sigrid Pilz hält die Reduktion für machbar - mehr dazu in Pilz: Weniger Nachtdienste machbar.

Opposition sieht Stadt in der Pflicht

Die Oppositionsparteien wollen die Stadt nicht aus der Pflicht nehmen. Denn das Ergebnis der Abstimmung sei „einzig und allein das Ergebnis einer verfehlten Gesundheits- und Personalpolitik in Rot-Grün“, befand die FPÖ-Gesundheitssprecherin im Parlament, Dagmar Belakowitsch-Jenewein.

„Die Wiener Stadtregierung und insbesondere die Führung des Wiener Krankenanstaltenverbundes haben dafür zu sorgen, dass die Rahmenbedingungen für die Umsetzung der neuen Ärztearbeitszeiten umgehend eingehalten werden - alles andere ist ein fahrlässiger Umgang mit der Versorgung der Wiener Patientinnen und Patienten“, betonte auch die Gesundheitssprecherin der Wiener ÖVP, Ingrid Korosec. Es sei nun „Feuer am Dach“.

SPÖ weist Kritik zurück

Für die Wiener NEOS ist das Ergebnis ein deutliches Zeichen, dass die Ärzte mit dem Vorgehen des KAV bzw. von Stadträtin Wehsely „absolut unzufrieden“ sind. Der pinke Wiener Gesundheitssprecher Stefan Gara mutmaßte, dass der Wiener SPÖ das „G’spür“ fehle, wenn es um die Gesundheitsversorgung der Stadt gehe.

„Der Opposition geht es wieder einmal nicht um die Sache“, wies der Wiener SPÖ-Gemeinderatsabgeordnete Kurt Wagner die geballte Kritik zurück: „Das vor mehr als einem Jahr sozialpartnerschaftlich vereinbarte Paket ist umzusetzen, der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) tut das bereits. Aber die Ärztekammer und die Opposition machen es stattdessen zum Politikum und wollen politisches Kleingeld daraus schlagen.“

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