TU Wien erforscht Urban Mining

Wie aus Schrott Wertvolles wird, möchte die Technische Universität in den nächsten vier Jahren erforschen. Deshalb sammelt sie Daten über die Rohstoffvorkommen in Müllhalden und Abbruchstätten der Großstädte Europas.

4,5 Tonnen Eisen, 340 Kilogramm Aluminium, 210 Kilogramm Blei, 200 Kilogramm Kupfer und 40 Kilogramm Zink - so viele Rohstoffe kommen auf jeden Einwohner Wiens. Beim sogenannten Urban Mining werden diese Stoffe von Mülldeponien oder abgerissenen Häusern abgebaut und wiederverwertet. Die Technische Universität Wien arbeitet an einem vierjährigen europaweiten Forschungsprojekt zu diesem Thema und liefert bereits erste Ergebnisse - mehr dazu in Urbane Lagerstätten erschließen (news.ORF.at).

Schrott

Urban Mining

Abfall birgt oft Rohstoffe, die in Zukunft knapp werden könnten

Knappheit und Abhängigkeit von Importen

Der Umweltschutz, aber auch die Sorge um Rohstoffknappheit sind Gründe, warum Urban Mining für die Erforschung interessant wird. Auch die Abhängigkeit von Importen wird in wirtschaftlich und politisch unsicheren Zeiten ein immer größeres Thema. „Der Zugang zu Rohstoffen wird zunehmend zum Standort- und Wettbewerbsfaktor für Volkswirtschaften“, vermutet Ulrich Kral vom Institut für Wassergüte, Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft der Technischen Universität Wien (TU Wien).

Nicht nur in Österreich forscht man zur Standortstärkung in Deponien und Abbruchstätten. Mehr als 20 europäische Länder sind an dem Forschungsprojekt der European Cooperation in Science and Technology (COST) beteiligt. Darunter sind Frankreich, Deutschland, Slowenien und viele mehr. „Das Ziel ist zu beurteilen, welche Rolle die anthropogenen Rohstoffquellen zur Rohstoffversorgung einer Volkswirtschaft beitragen können“, so Kral, Vorsitzender des europäischen Projekts.

Urbane Rohstoffkarten als Minen der Zukunft

Daten über anthropogene - also vom Menschen geschaffene - Rohstoffquellen zu sammeln, das ist für die Forscher entscheidend. Nur so kann beurteilt werden, ob es ökologisch und wirtschaftlich sinnvoller ist Primärrohstoffe aus Minen abzubauen oder Sekundärrohstoffe aus nicht mehr benötigten Gütern zurückzugewinnen. Mit diesen Daten können „Rohstoffkarten“ und Gebäudekataloge erstellt werden, die die Erschließung anthropogener Rohstoffquellen erleichtern sollen.

Dafür müssen ganze Gebäude inventarisiert und in 3D-Modellen nachgebaut werden. Auswertungen von Abfallstatistiken, von Bauplänen oder Direkterhebungen vor Ort liefern Aufschluss über die verbauten Materialien. Die Gebäude werden anschließend je nach Bauperiode, Nutzung und Volumen klassifiziert, denn unterschiedliche Gebäudearten sind unterschiedlich zu recyceln. Dabei gilt, neuere Gebäude sind schwieriger wiederzuverwerten als alte, weil moderne Bauten häufig aus Verbundmaterialien bestehen, die schwierig zu trennen sind.

Rohstofflandkarte

Fritz Kleemann/TU Wien

Rohstoffkarten liefern Aufschluss über urbane Rohstoffvorkommen

Abbruch beim Bau mit einplanen

Die Grundlage für den Rohstoffgewinn beim Abbruch von Häusern, wird somit schon bei ihrer Errichtung gelegt. „Es gibt vereinzelt Architekten die sich mit der Planung von Gebäuden bereits gedanklich auch mit dem Abbruch auseinandersetzen und Gebäude versuchen so zu konzipieren, dass ein Großteil verwertet werden kann. Allerdings steckt man hier noch sehr in den Kinderschuhen“, erklärt Kral.

Gebäude werden häufiger mit Blick auf die Energieoptimierung entworfen. An Abbruch wird beim Bau nicht gerne gedacht. Das ist nach Krals Sicht auch gar nicht zwingend notwendig: „Generell wäre es aus Ressourcensicht anzustreben, Gebäude so zu bauen, dass ihre Nutzung leicht adaptierbar ist. Dadurch wird es nicht mehr notwendig Gebäude nach 30 bis 50 Jahren abzubrechen, sondern sie könnten entkernt werden und die Baustruktur würde erhalten bleiben.“

Urban Mining in der Smart City

Die Baustruktur macht bei einem Abbruch das größte Ausmaß aus. Sie ist der schwerste und massivste Teil eines Gebäudes. 2009 fielen bei Abbrucharbeiten in Wien etwa vier Tonnen Bauschutt und Bodenaushub pro Einwohner an. Dabei wurden auch viele Schadstoffe freigelegt. Urban Mining soll hier für mehr Sicherheit sorgen. „Die Abfall- und Ressourcenwirtschaft hat die Aufgabe, die Wert- und Schadstoffe voneinander zu trennen und umweltverträglich zu verwerten bzw. zu behandeln“, so Kral.

Insofern arbeitet die TU nicht nur mit dem europäischen Forschungsverband, sondern auch mit der Umweltschutzabteilung der Stadt Wien zusammen. Die Initiative Smart City ist ein langfristig angelegtes Projekt der Stadt Wien, das auch Urban Mining integriert. Rohstoffe aus anthropogenen Quellen wie Sand und Kies werden jetzt schon wiederverwertet. Auch Metalle und Holz aus abgerissenen Gebäuden weiß man bereits zu verwenden. Doch bis zum hundertprozentig recycelten Haus ist es noch ein weiter Weg.

Theresa Loibl, wien.ORF.at

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