Forscher: „Dylan braucht Nobelpreis nicht“

Der diesjährige Nobelpreis für Literatur geht an Bob Dylan. Der Kulturwissenschaftler Eugen Banauch erforscht Dylans Schaffen seit Jahren. Er meint „dadurch öffne man den Raum für einen breiteren Textbegriff.“

Am 13. Oktober gab die Jury der Schwedischen Akademie Bob Dylan als Literaturnobelpreisträger des Jahres 2016 bekannt. Die Vergabe des Literaturnobelpreises an Bob Dylan zeigt für den Wiener Kulturwissenschaftler Eugen Banauch, dass die Verbindung von Lyrik, Musik und Performance im Songwriting endgültig im Literaturbetrieb angekommen ist. Klar sei jedoch: „Dylan braucht den Nobelpreis nicht“, so Banauch.

Dylan

MLK

Bob Dylan gilt als einer der wichtigsten Musiker unserer Zeit

Dass umgekehrt der Nobelpreis Bob Dylan als Aushängeschild brauche, gehe zwar ebenfalls zu weit. „Es kann aber gut sein, dass die literaturinteressierte Öffentlichkeit jemanden wie Dylan als Nobelpreisträger gut brauchen kann“, so der Wissenschaftler vom Institut für Anglistik und Amerikanistik der Universität Wien. Gerade heuer sei die Vergabe aber „eine überraschende Entscheidung, denn Dylan war bei den Buchmachern in früheren Jahren schon weiter oben“.

Literaturnobelpreis entwickelt sich

Mit Bob Dylan erweitere das Nobelpreiskomitee sozusagen den Horizont dessen, was alles hochwertige Poesie sein kann. Dadurch, dass man ihn auszeichnet „öffnet man den Raum für einen breiteren Textbegriff als bisher“, so Banauch. Auch wenn man „Dylans Texte nicht von der Musik loslösen kann“.

Gleichzeitig sei es eine wichtige Anerkennung des Beitrags, den die seit den 1960er Jahren anspruchsvoller gewordene Populärmusik leiste. „Gerade bei Dylan wird klar, dass wir es auch mit einem sprachlichen Phänomen zu tun haben. Das ist nun eine spannende Verschiebung in der Wahrnehmung. Es gibt nämlich sehr wohl einen ganz großen Erfolg der gebundenen Sprache, eben in Songtexten mit denen wir ständig konfrontiert sind,“ erklärt Banauch.

Interessant sei vor allem die enge Verbindung von Dylans Werk mit der Musik und seiner Performance. Gerade live verändert der 75-Jährige seine Texte und Musik immer wieder. „Dylan ist ein traumhaftes Beispiel dafür, dass ein Text nie abgeschlossen ist“, so der Forscher, der 2014 auch als Ko-Herausgeber des Buchs „AustroBob - Österreichische Aneignungen von Bob Dylans Poesie und Musik“ fungierte.

Dylan Kärntnerstraße

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Bob Dylan in einem Hotel in der Kärntner Straße

Einfluss Dylans auch in Österreich spürbar

Die Arbeit an „AustroBob“ habe gezeigt, „wie stark Dylan in Österreich rezipiert worden ist“. Schon in den 1970er Jahren fand sein Werk in der damals zeitgenössischen Literatur Niederschlag - etwa in Michael Köhlmeiers erstem Hörspiel „Like Bob Dylan“. Oder in Übersetzungen von Wolfgang Ambros, welche Banauch als „Meilenstein“ bezeichet. Ambros habe es geschafft, Dylan in ein „wienerisches Milieu zu übersetzen“. Der Zugang von jüngeren Vertretern des Austropop, wie der Band „Ja, Panik“ oder „Der Nino aus Wien“, ist ein anderer. „Sie nehmen was ihnen gefällt und was funktioniert. Man eignet sich Dylan mehr an und übersetzt weniger“, sagt Banauch.

Als „Forschungsobjekt“ sei Dylan schon seit geraumer Zeit ein Thema. In den Kulturwissenschaften werde er vor allem als interessanter Vertreter eines „neuen und anderen Amerika seit den 60er Jahren“ beforscht. Auch in den Literaturwissenschaften sei der Songwriter laut Banauch vielerorts angekommen.

Bob Dylan kam 1941 als Robert Allen Zimmermann in Duluth, Minnesota, auf die Welt. Am 10. Dezember, dem Todestag von Alfred Nobel, wird der mit acht Millionen Kronen (umgerechnet 830.435 Euro) dotierte Preis in Stockholm an Dylan verliehen. 2015 hatte die Weißrussin Swetlana Alexijewitsch die Auszeichnung erhalten. Der Literaturnobelpreis wird seit 1901 vergeben. Dylan ist der 113. Preisträger in der Geschichte und konnte sich unter 220 Kandidaten und Kandidatinnen durchsetzen - mehr dazu in news.ORF.at.