Schicksale Wiener Juden werden sichtbar
An den Wiener Adressen Stoß im Himmel 3, Marc-Aurel-Straße 5 oder in der Sterngasse 11 standen so genannten „Judenhäuser“. Gebäude mit meist schlechteren und kleineren Wohnungen, in die das Wohnungsamt Juden vor ihrer Deportation zwang. So wie etwa die Familie des Textilkaufmanns Arthur Chat, der im Haus Stoß am Himmel 3 einziehen musste. Die beiden älteren Töchter, Martha und Elisabeth, konnten nach Großbritannien flüchten.
Informationen wie diese sind via Memento Wien abrufbar.
Die jüngste Tochter, Edith, blieb bei der Familie in Wien. Sie wurde am 14. Juni 1942 aus der Wohnung Stoß im Himmel 3/8 nach Sobibor deportiert und dort ermordet. Ihre Eltern wurden nicht einmal ein Monat später in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Arthur Chat starb dort, die Ärzte gaben eine Lungenentzündung als Todesursache an. Seine Frau Gertrude wurde am 23. Jänner 1943 nach Auschwitz überstellt und dort ermordet. Sie war eine von mehr als 90 Ermordeten, die vor ihrer Deportation den Stoß am Himmel 3 als letzte Wohnadresse hatten.
APA/DÖW
Handy macht Schicksale nachvollziehbar
Memento Wien ist Bestandteil eines Projekts des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW) mit dem Titel „Digital Memory - Taking the DÖW Archive to the streets“. Allein in der Wiener Innenstadt sind mehr als 5.000 Juden dem Terror der Nazis zum Opfer gefallen. Mit Verwendung von Georeferenzierung und GPS-Standortbestimmung können Interessierte mehr über die Opfer an bestimmten Plätzen der Innenstadt erfahren.
Verknüpft sind damit unter anderem Infos aus den DÖW-Opferdatenbanken, Dokumente und Fotos aus dem Dokumentationsarchiv. Kurze Texte liefern dazu kompakte Information.
ORF
Vertreibung und Ermordung werden sichtbar
Ziel des DÖW war es, die Vertreibung und Ermordung österreichischer Jüdinnen und Juden virtuell sichtbar zu machen, ohne in das Stadtbild einzugreifen. Auch geht es darum, die Schicksale der Menschen, die sich hinter nackten quantitativen Erfassungen verbergen, darzustellen.
Die mobile Website berücksichtigt auch Opfer der politischen Verfolgung. So führt die Adresse Riemergasse 9 zu Informationen über vier Bewohner, unter ihnen der Rechtsanwalt Karl Wanner. Er wurde am 8. Februar 1943 von der Gestapo Wien festgenommen. Wanner wurde wegen Vorbereitung zum Hochverrat verurteilt und blieb bis zur Befreiung Wiens in Haft.
Projekt wird nach und nach ausgeweitet
Das Projekt wurde von Wolfgang Schellenbacher betreut und in Zusammenarbeit mit der Firma Braintrust GmbH entwickelt. Finanziert wurde die Website vom Wissenschaftsministerium, vom Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus sowie vom Zukunftsfonds der Republik Österreich. Die Website soll nach und nach alle Wiener Bezirke umfassen.
Memento Wien ist unter vier Internet-Adressen erreichbar.