Startenor Rene Kollo gibt Oper keine Zukunft

Startenor Rene Kollo gastiert im Rahmen seiner Abschiedstournee demnächst auch im Wiener Konzerthaus. Die Oper habe „keine besonders große Zukunft mehr“, meinte der 78-Jährige in einem Interview anlässlich des Auftritts.

Es stehe schlecht um sein Metier, stellte der 78-Jährige in einem Gespräch mit der APA am Dienstag fest. „Ich sag jetzt langsam ‚Adieu‘, weil ich am 20. in mein 80. komme“, sagte der am 20. November 1937 geborene einstige Startenor der Bayreuther Festspiele. Kollo ist laut Selbstdiagnose jedoch noch in bester Sangesverfassung: „Die Stimme ist perfekt, nur das Fahrgestell ist nicht mehr so, wie es früher war.“ Am 6. Jänner lädt er im Konzerthaus zu einem Liederabend mit dem Titel „Mein Leben und die Musik – Ein Weltstar sagt Adieu“.

Rene Kollo

APA/Herbert Neubauer

Mit modernen Opern kann der 78-Jährige wenig anfangen

Zwistigkeiten mit Ioan Holender

Kollos schönste Erinnerung an Wien ruht übrigens in weiter Vergangenheit und bleibt für ihn seine Rolle in Beethovens „Fidelio“, als er 1978 unter der Leitung von Leonard Bernstein den Florestan gab. Am anderen Ende der Skala stehen seine Begegnungen mit dem ehemaligen Staatsoperndirektor Ioan Holender: „Ich finde kein passendes Wort für ihn“, will Kollo das Thema aber lieber ruhen lassen.

Kritik an modernen Opern

Nicht ruhig bleibt der gebürtige Berliner im nostalgischen Ambiente des Hotel Sacher, wenn es um die moderne, gegenwärtige Oper geht: „Da gibt es eine Entwicklung in den letzten 20 und 25 Jahren, die vollkommen unsinnig ist. Was heißt denn modern? Jeden Dreck von der Straße auf die Bühne zu bringen? Wenn das modern ist, dann brauch ich keine Modernität, dann bin ich gerne altmodisch. Ich will die Stücke so haben, dass sie sinngemäß noch vorhanden sind, und das sind sie eben nicht“, stellt Kollo seinen Standpunkt deutlich klar.

Als aktuelles Beispiel für diese Entwicklung nennt Kollo „Tristan und Isolde“ in der aktuellen Inszenierung von Katharina Wagner, die der Chefin der Bayreuther Festspiele im heurigen August einige Buh-Rufe einbrachte. „Sie hat einen Schluss gemacht, der mit Wagner gar nichts zu tun hat“, kritisiert der einstige Startenor auf den Tisch klopfend. Man habe den Stücken immer mehr ihren Sinn genommen.

Rene Kollo

APA/Herbert Neubauer

"Ich sag jetzt langsam ‚Adieu‘, weil ich am 20. in mein 80. komme“, so Kollo

Dieser „neue“ Sinn „kam damals aus der DDR, weil damals die ganzen Theaterregisseure zur Oper gingen, weil sie dort zehnmal oder zwanzigmal soviel verdienten wie im Theater - und: Sie wollten berühmt werden“, erläutert Kollo die Gründe hinter der ihm missfallenden Entwicklung. Er habe mit Regisseuren wie Giorgio Strehler, Rudolf Noelte oder Harry Kupfer gearbeitet und da ging es immer um das Stück, denn „es muss doch noch der Sinn dessen sein, der das damals geschrieben hat“, argumentiert Kollo.

Publikum „immer unwissender“

Auch mit dem Publikum ist Kollo nicht zufrieden: „Unwissender, immer unwissender“, nannte er es vor zwei Jahren in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“. „Es mangelt an Bildung, es gibt fast keine mehr. Zumindest nicht mehr das, was wir im Bildungsbürgertum hatten oder in der Mittelschicht. Das ist doch längst vorbei, dass Leute Bücher noch lesen - nicht diesen Quatsch von heute - sondern Bücher, die auch noch heute wichtig sind. Gerade Schiller hat unglaublich viel zu sagen und es interessiert kein Schwein mehr“, konstatiert der Heldentenor auch im APA-Gespräch.

„Die Leute gehen ja nur noch auf einen Event. 1968 habe ich angefangen in Bayreuth, und auch in Japan war das so, da kannte das Publikum jeden Ton, die kannten jeden Text.“ Damals hätten man ihn auf Fehler angesprochen. „Heute können Sie machen, was Sie wollen. Das interessiert keinen mehr.“

Karrierestart im Schlagerfach

Kollos Liederabend im Jänner wird „Vom Lied über die Operette zur Oper“ führen und dies mit Begleitung von Sopranistin Natalia Ushakova und Bass Lothar Fritsch. Mit am Programm stehen auch Stücke von Vater und Großvater Kollo, die jeweils als Operettenkomponisten tätig waren. Kollo selbst hatte seinen Karrierebeginn indes als Sänger im Schlagerfach. 1961 konnte er mit einer deutschsprachigen Coverversion von Ricky Nelsons Nummer-eins-Hit „Hello, Mary Lou“ in den Charts landen.