Wien plant eigenes Modell bei Mindestsicherung

Die Chancen auf eine Einigung zur Reform der Mindestsicherung sinken gegen Null. Wien plant daher nun ein eigenes Modell. Man setze etwa verstärkt auf Sachleistungen, kündigte Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) an.

Teil des Modells seien jene Punkte, die man auch in den Verhandlungen eingebracht habe, so Wehsely. Neben dem verstärkten Setzen von Sach- statt auf Geldleistung sei auch eine „Hilfe zur Arbeit“ wichtig, also vor allem die Unterstützung von Jugendlichen, damit diese am Arbeitsmarkt Fuß fassen können. Auch verstärkte Maßnahmen, um die Integration von Asylberechtigten zu „fördern und zu fordern“, seien Teil des Konzepts.

Die Maßnahmen sollen verhindern, dass Personen aus Bundesländern mit niedrigerer Unterstützung nach Wien abwandern. „Wir werden in Wien, was immer ab dem 1. Jänner sein wird, jene Maßnahmen umsetzen, um die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen“, kündigte Wehsely an.

Wartefrist für Zuzügler nicht vom Tisch

Man müsse zudem prüfen, wie man sich dagegen schützen könne, dass man gezwungen werde, „unsoziale Maßnahmen aus anderen Bundesländern auszugleichen“. Dies müsse man sich „ganz genau anschauen“. Eine Wartefrist für bezugsberechtigte Zuzügler aus anderen Bundesländern schloss sie zumindest nicht dezidiert aus. „Die Variante, die es jedenfalls nicht spielen wird, ist, dass sich alle an Wien abputzen“, stellte sie klar.

Das Wiener Mindestsicherungsgesetz laufe nicht aus, aber Veränderungen seien nötig, um das System „zukunftsfit“ zu machen. Auch Wehsely verwies darauf, dass es ohne 15a-Vereinbarung keinen Bundeszuschusses für Sozialleistungen mehr geben wird. Das ist laut der Wiener Stadträtin gleichzeitig auch ein Hoffnungsschimmer, dass es doch noch zu einer Einigung kommt. Vielleicht werde sich die Vernunft noch durchsetzen, weil die Landesbudgets wichtiger seien als das politische Kleingeld. Wobei sie momentan „kein Licht am Ende des Tunnels“ sehe, wie sie hinzufügte.

Solidarität zwischen Ländern „empfindlich gestört“

Heftige Kritik setzte es für die ÖVP. Teile der Volkspartei hätten das Scheitern der bundesweiten Vereinbarung „von Anfang an“ gewünscht, befand die Ressortchefin. Man habe die Debatte benutzt, um Ressentiments zu schüren. Es sei nie um die Bewältigung der Herausforderung in der Mindestsicherung gegangen, so Wehsely: „Es war Mittel zum Zweck, um die Menschen gegeneinander auszuspielen.“ Begriffe wie sozialer Friede seien diffamiert worden.

Und die ÖVP habe erreicht, dass die Solidarität zwischen den Bundesländern „empfindlich gestört“ sei. Wobei die Steiermark, Tirol und Vorarlberg über die Entwicklung „überhaupt nicht glücklich“ seien, wie die Sozialstadträtin versicherte.

Grüne sehen „unwürdiges Spektakel“

Die Sozialsprecherin der Wiener Grünen, Birgit Hebein, sieht das Scheitern der Verhandlungen in Sachen Mindestsicherung als „unglaubliches, unwürdiges Spektakel am Rücken von Menschen in Not“. Über das geplante Wiener Modell will sie nun mit dem Koalitionspartner SPÖ reden. Über die Medien wollte Hebein den Sozialdemokraten aber keine Vorschläge unterbreiten, wie sie betonte. Wie zuvor Sozialstadträtin Wehsely, warnte sie jedenfalls vor negativen Auswirkungen uneinheitlicher Regelungen: „Es ist unbestritten, dass Wien unter Druck steht.“

Die wesentliche zu klärende Frage sei jene, wie man Menschen in Notsituationen helfen könne. Sie hoffe, dass in der ÖVP nun vernünftige Kräfte wieder mehr Gehör finden - wobei sie hier ausdrücklich den steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer mit Lob bedachte. Ohne gemeinsame Reform drohen laut Hebein „willkürlich Grenzen“ bei der Mindestsicherung, wie es sie bereits in Niederösterreich, Oberösterreich oder dem Burgenland gebe. Sozialdumping, Arbeitsdruck, prekäre Beschäftigung und Ausbeutung würden steigen - genauso wie die Kriminalstatistik und die Empfangsbereitschaft für rechten Extremismus, warnte die Grün-Politikerin.

ÖVP fordert „Trendumkehr“

Wiens ÖVP-Chef Gernot Blümel sah die rot-grüne Stadtregierung nun „mehr denn je gefordert“, auf Landesebene die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, wie er in einer Aussendung darlegte: „Der Plan B der rot-grünen Stadtregierung muss nun heißen, dass die Mindestsicherung von Grund auf reformiert wird und endlich die zwingend erforderliche Trendumkehr eingeleitet wird, wie es die ÖVP Wien seit jeher einfordert.“ Denn in Wien würden die Kosten und Bezieher ins „Unermessliche“ steigen.

„Die ersten zarten Anzeichen an Bewegung seitens der Stadtregierung, nämlich die Einsicht, dass ein Mindestaufenthalt für den Bezug der Mindestsicherung notwendig ist, müssen fortgesetzt werden. Notwendig ist aber nicht nur ein Mindestaufenthalt, sondern es muss vorher auch ins Sozialsystem einbezahlt werden, bevor man daraus profitieren kann“, forderte Blümel.

„Die Mindestsicherung ist die Basisversorgung für hilfsbedürftige Wiener. Sie darf kein Zuwanderungsgrund in die Bundeshauptstadt sein. Wenn sich die SPÖ diesbezüglich nicht bewegt, sind wir Wiener die Zahlmeister der Nation und Wien wird zum Zuwanderungsmagnet Österreichs“, befürchtete Wiens FPÖ-Vizebürgermeister Johann Gudenus in einer Aussendung. Nur eine Streichung der Mindestsicherung für „Asylanten“ könne eine weitere Kostenexplosion verhindern, zeigte er sich überzeugt.

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