Missbrauch in Heimen: Weitere Meldungen

Die Stadt hat bisher 41,5 Mio. Euro an ehemalige Heimkinder ausbezahlt, die Opfer von Missbrauch geworden sind. Die Meldefrist dafür ist am 31. März abgelaufen. Seither haben sich weitere Opfer gemeldet, Geld gibt es für sie nicht.

Drohungen, massive sexuelle Übergriffe oder Schläge: Bis zum 31. März, dem Ende der Meldefrist, haben sich 3.139 Menschen an den Weissen Ring gewandt. Die Opferschutzeinrichtung wurde von der Stadt mit der Abwicklung der Entschädigungszahlungen beauftragt.

„Die hohe Zahl hat mich auf alle Fälle überrascht. Ich dachte es wird sich um 1.000 Betroffene handeln“, sagt der Präsident des Weissen Rings, Udo Jesionek. Neben monetären Zuwendungen gab es für die Betroffenen auch psychologische Hilfe und Therapien.

Eine Ansicht des Schloss Wilhelminenberg

APA/Herbert Pfarrhofer

Ehemaliges Heim am Wilhelminenberg besonders oft von Betroffenen genannt

2.362 Personen bekamen Geld zugesprochen

Bis zum Ende der Meldefrist wurden 3.116 Fälle einzeln untersucht. Davon wurde in 2.362 Fällen finanzielle Unterstützung beschlossen. In 1.815 Fällen wurden die Kosten für eine Psychotherapie übernommen oder Stundenkontingente genehmigt. Insgesamt wurden bisher 41,45 Millionen Euro direkt an die Opfer ausbezahlt. Für Psychotherapie stellte die Stadt 10,46 Millionen zur Verfügung, für Rechtsberatung waren es knapp über 130.000 Euro.

734 Betroffene bekamen keine Unterstützung

Insgesamt 734 Betroffene bekamen weder Geld noch eine Therapie vom Weissen Ring zugesprochen. „Es waren Fälle, wo es bei der MA 11 keine Akten gibt. Es war keine Maßnahme der Wiener Jugendwohlfahrt. Es waren zum Beispiel Fälle, wo die Eltern ihre Kinder in Heime gebracht haben“. Diese wurden teils an andere Einrichtungen wie die Klasnic-Kommission oder das Land Niederösterreich weitergeleitet.

Derzeit gibt es noch „23 offene, nicht behandelte Fälle, die innerhalb der Einreichfrist gemeldet wurden“, heißt es vom Weissen Ring. Diese sollen noch in diesem Jahr behandelt werden.

86 Personen meldeten sich noch nach 31. März

Mit Ende der Meldefrist haben sich allerdings ab 1. April noch „86 Personen bei uns gemeldet“, heißt es vom Weissen Ring. Sie konnten nicht mehr im Projekt aufgenommen werden. Entschädigungszahlungen gibt es für sie damit keine mehr. Der Weisse Ring vermittelt sie an die Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft weiter, damit sie eine Therapie bekommen.

„Ich habe darauf gedrungen, dass die Opfer, wenn sich noch welche melden, jedenfalls eine therapeutische Betreuung bekommen. Das war für mich immer im Vordergrund, denn es kostet sehr viel und ist für sie wahnsinnig wichtig. Sie bekommen zusätzlich auch Rechtsberatung“, sagt Jesionek.

„Für alle, die sich danach gemeldet haben, gibt es über die Kinder- und Jugendanwaltschaft und über die Psychosozialen Dienste auch weiterhin Hilfe“, bestätigt eine Sprecherin der zuständigen Stadträtin Sonja Wehsely (SPÖ). Die Frist für Entschädigungszahlungen will die Stadt trotz der 86 Meldungen nicht verlängern, so die Sprecherin. Die Opfer hätten knapp sechs Jahre Zeit gehabt, sich beim Weissen Ring zu melden.

63 Prozent der Opfer waren männlich

Von den Betroffenen, die eine Entschädigung ausbezahlt bekommen haben, wurde am häufigsten das Heim in Eggenburg als Ort von Gewalt genannt. Dahinter folgen der Wilhelminenberg und die Hohe Warte. Die Mehrheit der Opfer (63,08 Prozent) war männlich.

Viele Betroffene lebten übrigens nicht nur in einem Heim, sondern sind öfter gesiedelt. Im Schnitt wurden 4,4 Unterbringungen pro Person berechnet. Am meisten wurden Gewaltübergriffe von Personen angegeben, die zwischen 1950 und 1959 geboren wurden.

Heimreform im Jahr 2000

Seit der Heimreform im Jahr 2000 gibt es in Wien keine Großheime mehr. Die Kinder werden nunmehr in Wohngemeinschaften untergebracht. Zudem wurden auch Krisenzentren geschaffen. Dort werden Kinder und Jugendliche laut Jugendamt vorläufig untergebracht, wenn der Schutz in der Familie nicht mehr gewährleistet werden kann. Auch Pflegeeltern erhalten heutzutage eine Ausbildung.

Hubert Kickinger, wien.ORF.at

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