Mehr Patienten an Betten angegurtet

Netzbetten sind in Österreich seit eineinhalb Jahren verboten. Die Patientenanwaltschaft spricht von einem Erfolg. Und das, obwohl sich ihre Befürchtung bestätigt habe, dass seither mehr Patienten an Spitalsbetten angegurtet werden.

Netzbetten waren vor der Abschaffung durch den damaligen Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) nur mehr in Wien und vereinzelt in der Steiermark in Verwendung. Sehr aggressive oder sich selbst gefährdende Patienten wurden oft zuerst am Bett fixiert, also angegurtet, erhielten beruhigende, einschläfernde Infusionen und blieben dann im Netzbett.

Neun Prozent mehr Fixierungen

Der Wiener Psychiatrie-Patientenanwalt Bernhard Rappert sagt gegenüber Ö1, die Netzbettabschaffung hat zu einem Anstieg der Zahl dieser Fixierungen um neun Prozent geführt. Die Dauer der Fixierungen habe sich zudem „etwa verdoppelt“.

Um acht Stunden länger sind die Gurte pro betroffenem Patient und Spitalsaufenthalt angelegt, so jedenfalls die Erhebung des Vereins Vertretungsnetz Patientenanwaltschaft. Die Ärzte müssen dieser Patientenanwaltschaft jede Fixierung und Freiheitsbeschränkung melden. Betroffen waren im September 37 Prozent der zwangseingewiesenen Psychiatriepatienten in Wien - mehr dazu in Ende für Netzbetten in Wiener Spitälern.

Netzbett in Wien

APA/Herbert Pfarrhofer

Die Abschaffung der Netzbetten bezeichnet der interimistische Leiter des Otto-Wagner-Spitals, Peter Langer, als „politische Entscheidung“

Abschaffung dennoch „Erfolgsgeschichte“

Aber Rappert sagt auf der anderen Seite auch: „Wir haben jährlich 300 Fälle, wo ersatzlos auf das Netzbett verzichtet werden konnte und hundert Fälle, wo statt des Netzbetts eine gelindere Maßnahme zum Einsatz kommt - zum Beispiel ein Bett mit Seitenteilen.“ Ältere Patienten, die früher im Netzbett waren, werden immer öfter in Niederflurbetten gelegt, damit sie sich beim Herausfallen nicht verletzen.

Zusammenfassend meint der Patientenanwalt, „dass die Abschaffung der Netzbetten in Wien aus heutiger Sicht eine Erfolgsgeschichte ist“. Denn wenn man den Wegfall von Netzbettaufenthalten und mehr Angurten zusammenzählt, „so ergibt sich für jeden einzelnen Patienten, dass er um 26 Stunden länger in Freiheit ist“.

Der interimistische Leiter des Otto-Wagner-Spitals, Peter Langer, beurteilt die Netzbettabschaffung, die nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen gefordert hatten, zumindest nicht negativ: „Dass war eine politische Entscheidung. Wir tragen die mit. Es ist aus meiner Sicht für die Patienten weder ein Vorteil noch ein Nachteil entstanden.“

Zweifel an Auswirkungen

Dass sich pro betroffenen Patient die Gurtfixierung um acht Stunden verlängert hat, bezweifelt Langer. „Das ist sicher nicht durchgehend gemeint. Acht Stunden länger - es kann sein, dass der Patient, und das ist sehr häufig der Fall, zwischenzeitlich aus der Fixierung gelöst wird.“

Langer glaubt auch nicht, dass Netzbetten durch einschläfernd wirkende Medikamente ersetzt wurden, der Medikamentenverbrauch sei nicht gestiegen. Patientenanwalt Rappert fordert mehr qualifiziertes Personal in der Psychiatrie, damit durch bessere Betreuung die Zahl der Fixierungen gesenkt werden kann.

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