Erstmals YouTube-Star bei Blue-Bird-Festival

Ein Fixpunkt im Jahreskalender von Liebhabern der feinen Klinge in Sachen populäre Musik ist das Blue-Bird-Festival im Porgy & Bess. Heuer ist mit Fenne Lily sogar ein YouTube-Star dabei. Von Donnerstag bis Samstag ist es soweit.

Es gibt im Kulturbetrieb Zweckenthusiasten, die pflichtbewusst Begeisterung vor sich hertragen. Und es gibt Menschen wie den ORF-TV-Redakteur und Blue-Bird-Veranstalter Klaus Totzler, die Begeisterung tief empfinden, die, wenn sie über Künstler sprechen, nicht mit abgelutschten Superlativen daherkommen, sondern, im Gegenteil, leise werden, dafür aber umso eindringlicher - und deren Augen bei der Nennung von Künstlernamen hell aufleuchten.

Ganz besonders ist das bei Totzler der Fall, wenn er Ricarda Parasol erwähnt. Schon 2009 war sie beim Blue Bird Festival aufgetreten - dein denkwürdiger Gig. Totzler hält sie für unterschätzt, sie sei eine „kühle, kraftvolle Person, irgendwo zwischen Darkness und Glaumour“. Das Video zu "Cloak of Comedy gleiche einem Humoresken Fibertraum - Parasol tritt darin als Harlekin auf. Die Künstlerin tritt am Donnerstag auf.

Leiser Spannungsbogen

Auch Paul Roland ist am Donnerstag dran. Er ist einer der wenigen prominenten Vertreter der Postpunk-Ära, der sich mit Mythen beschäftigt hat. Seit den späten 80er Jahren macht er Alben und prägte damit den Psychedelic Folk und Baroque Pop. Seine Songs sind simpel, Totzler nennt ihn den „Syd Barrett“ seiner Zeit.

Headlinerin des Donnerstags ist dennoch Coeur de Pirate aus Kanada. Sängerin Beatrice Martin macht Musik, seit sie drei Jahre alt ist - ihre frühen Songs wie „Place de la Republique“ machten via Myspace Furore. Sonst noch am Donnerstag: Die Neuseeländerin Aldous Harding, minimal instrumentiert, mit dunklen Texten, sehr zurückhaltend, mit leisen Spannungsbögen arbeitend.

Ein Hoch auf das „Bastelsongwriterding“

Am Freitag geht es weiter mit der erst 22-jährigen Amerikanerin Haley Heyndrickx, die laut Totzler die neue Feist ist. Auch sie ist Musikerin seit Kinderjahren, steht aber dennoch erst ganz am Anfang ihrer Karriere - die Debüt-EP soll demnächst erscheinen. Ihre Musik: Klassisches Singer-Songwritertum, im besten Sinne. Der Star des Abends wird Lee Ranaldo, legendärer Sonic-Youth-Gitarrist, der beim Blue Bird mit seinem Projekt El Rayo auftritt. Sein Wandel vom Lärm-Gitarristen zum Vertreter stiller Töne überrascht, im positiven Sinn.

Spannend, ungewöhnlich und charmant verspricht der Auftritt der jungen, südafrikanisch-berlinerischen Straßenmusikerin Ellis Alice Phoebe Lou zu werden. Ihre Musik, laut Totzler das „Bastelsongwriterding“, schafft eine „unheimlich schöne Atmosphäre“. Dieses Jahr ist ihr Debütalbum „Orbit“ erschienen. Nach Conor O’Brien im Vorjahr ist der melancholische Ire des Jahres heuer Patrick O’Laoghaire aka I Have A Tribe.

„Scott-Matthew“-Feeling - auch ohne ihn

Schließlich der Samstag: Sarah Jaffe ist Texanerin, und laut Totzler eine „toughe, lesbische Frau“. Irgendwo zwischen Indie, Blues und Electronik lässt sie eine intensive Stimmung entstehen, der man sich nur schwer entziehen kann. Dann Moddi, ein Norweger mit dünner, hoher Stimme, der zerbrechlich und leise Auftritt. Er erhöht den Gänsehautfaktor und lässt Scott-Matthew-Feeling aufkommen.

Bei Neil Halsted merkt man gleich, so Totzler, dass da „unheimlich viel dahinter“ steht. Aus dem ehemaligen Sänger der Shoegazer-Band Slowdive ist ein ruhiger Songwriter geworden, nicht wenigen gilt er als der beste seiner Zunft in England. Auch Ian Fisher, der lange in Wien gelebt hat (man kennt ihn von Nowhere Train) tritt beim Blue Bird auf. Er ist ein Country-Musiker des 21. Jahrhunderts, laut Blue-Bird-Website sind seine Songs „wie der Mann selbst: kurz, simpel und ehrlich.“

YouTube-Star Fenne Lily

Und schließlich der YouTube- und Shootingstar: Fenne Lily. Die erst 18-jährige, sympathische Frau hat ihre Karriere letztes Jahr fulminant mit einem viralen Video von einem kleinen Auftritt gestartet, wofür sie quer durch die britischen Presse und auch international abgefeiert wurde - sie kletterte mit „Top to Toe“ sogar in den Charts hoch.

Beim Blue Bird Festival gibt es die Möglichkeit, sie noch in kleinem Rahmen zu erleben - gut möglich, dass sie später ein großer Star wird und man sich gerne daran erinnern wird.

Für jeden sind neue Lieblingsbands dabei

Wirklich große Namen sind heuer aber, vielleicht abgesehen von Lee Ronaldo, nicht dabei. Totzler sagt, dass er jetzt noch mehr dort ist, wo er mit dem Blue Bird hinwollte: So viel Vertrauen des Publikums zu genießen, dass es trotzdem kommt und sich überraschen lässt. Die Hoffnung der Veranstalter ist, dass Leute kommen, obwohl sie niemanden kennen, und mit drei-vier neuen Lieblingsbands nach Hause gehen. Zumindest in den letzten Jahren ist dieser Plan stets aufgegangen.

Simon Hadler, ORF.at

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