AUA-Pilotenauswahl: 90 Prozent fallen durch

Die AUA sucht derzeit dringend nach Pilotinnen und Piloten. Erstmals seit 2011 werden auch wieder Bewerber ohne Flugpraxis aufgenommen und ausgebildet. Derzeit laufen die Aufnahmetests – rund 90 Prozent schaffen diese nicht.

Eine Mindestgröße von 1,65 Metern und eine maximale Sehschwäche von drei Dioptrien - das sind die körperlichen Grundvoraussetzungen, um zum mehrstufigen Auswahlverfahren zugelassen zu werden. Von zehn Bewerbern bleibt am Ende im Schnitt einer übrig. Die extreme Auslese sei wichtig, trotz zunehmender technischer Unterstützung beim Fliegen, so AUA-Flugkapitänin Petra Lorenz gegenüber „Wien heute“: „Wenn die Computer ausfallen, ist es noch immer ein Flugzeug mit zwei Tragflächen und zwei Triebwerken, das geflogen werden muss.“

Fliegen, Kopfrechnen und Zeitstoppen gleichzeitig

Als schwierigster Teil des Auswahlverfahrens gilt der Test auf dem „Pilot Instrument Trainer“ im AUA-Trainingscenter in Schwechat. Dabei müssen die Kandidaten im Simulator einen bestimmten Kurs fliegen. „Dazwischen gibt es über den Kopfhörer dann noch Anweisungen bzw. manchmal Rechenaufgaben für sie, dann müssen sie die Zeit stoppen - und alles gleichzeitig“, so Lorenz. Die Aufgaben werden immer schwieriger, es geht um die Belastbarkeit und die Lernkurve der Bewerber.

Noch davor muss man eine Berufsgrunduntersuchung in Hamburg bestehen. Mit einem mehrstündigen Computertest werden neben Englisch-, Mathematik- und Physikkenntnissen auch Konzentrationsvermögen, Merkfähigkeit, logisches Denken und räumliches Vorstellungsvermögen überprüft. Lorenz erinnerte sich an eine Aufgabe, die sie einst lösen musste: Zahlenwürfel erkennen, auch wenn sie verdreht lagen. „Man muss sich vorstellen, diese Seite ist jetzt oben, links oder rechts – und man muss in kürzester Zeit den richtigen Würfel finden.“

Aufnahmetest AUA

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Petra Lorenz ist Kapitänin für die Embraer 195 und Teil des Selektionsteams

Rollenspiele testen Persönlichkeit

In der letzten Stufe stehen umfangreiche psychologische Checks auf dem Programm. In Einzelgesprächen und Rollenspielen werden die Bewerber durchleuchtet. „Es werden Situationen aus dem Alltag und auch aus dem Flugdienst nachgespielt“, so Lorenz. „Es sind keine leichten Situationen, man kommt an seine Grenzen – und der Psychologe beobachtet das Verhalten.“ Den Abschluss macht eine medizinische Untersuchung.

Personalmangel: Flüge gestrichen

Mehr als 100 Nachwuchspilotinnen und -piloten will die AUA 2017 aufnehmen - mehr dazu in AUA sucht Piloten ohne Flugpraxis. Ein Grund für den Engpass ist eine Umschulungswelle durch einen Umstieg von Fokker- auf Embraer-Maschinen. Außerdem werden in den nächsten zwei Jahren neue und größere Maschinen in Dienst gestellt, und mit der Umstellung auf einen billigeren Kollektivvertrag verließen Piloten das Unternehmen. Im Sommer mussten sogar Flüge gestrichen werden - mehr dazu in Pilotenmangel: AUA streicht 300 Flüge.

AUA testet Bewerber in Schwechat

Die AUA nimmt mehr als 100 Nachwuchspiloten auf. „Wien heute“ hat sich die Flugsimulatoren angesehen und mit Fluglehrern gesprochen.

Rückzahlung von Teil der Ausbildungskosten

In den vergangenen Jahren nahm die AUA aus Kostengründen nur Bewerber auf, die bereits einen Pilotenschein hatten. Im Februar 2017 startet nun wieder der erste Kurs für bis zu 30 Flugschülerinnen und -schüler ohne Vorkenntnisse. 21 Monate dauert die Ausbildung, danach brauchen die Absolventen noch die Berechtigung für den jeweiligen Flugzeugtyp.

Andre Griessner

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„Embraer 195“-Kapitän Andre Griessler ist inzwischen auch Fluglehrer

„Es ist eine sehr intensive Phase, in der von den Kandidaten wirklich alles abverlangt wird“, erzählte AUA-Kapitän und Fluglehrer Andre Griessler. „Man hat von Montag bis Samstag Kurs, und muss sämtliche Abende damit verbringen, die Unterlagen durchzugehen und sich auf Tests und Prüfungen vorzubereiten.“

Gehalt gibt es während der Ausbildung keines - und künftig muss, wie auch schon früher, wieder ein Teil der Ausbildungskosten zurückgezahlt werden. Die Konditionen werden noch verhandelt. Voraussichtlich seien es rund 60.000 Euro, aufgeteilt auf zehn bis 15 Jahre, hieß es seitens des AUA-Betriebsrats. Das Piloteneinstiegsgehalt sei mit dem neuen Kollektivvertrag dafür leicht angehoben worden: Von 3.600 auf gut 3.800 Euro brutto monatlich.

Nur eine Chance bei Auswahlverfahren

Antreten darf man zu dem Auswahlverfahren übrigens nur ein einziges Mal. Eine Ausnahme gibt es: Wer ohne Flugpraxis durchfällt, bekommt eine zweite Chance - muss dafür aber davor den Pilotenschein auf eigene Faust machen. Ansonsten gilt: Ein schlechter Tag ist keine Ausrede. Pilotin Petra Lorenz: „In unserem Beruf kann man sich einen schlechten Tag nicht am falschen Tag aussuchen. Es muss immer passen.“

Evelyn Kanya, wien.ORF.at

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