Mobbing durch „Haram“-Sittenwächter

Unter jugendlichen Muslimen in Wien ist es Mode geworden, sich als Sittenwächter aufzuspielen. Sie wollen jungen Muslima vorschreiben, wie sie sich anzuziehen und zu benehmen haben. Wer sich nicht fügt, ist „Haram“ - und wird gemobbt.

Das Wort „Haram“ steht im Islam für das Verbotene. Es ist selbst Muslimen im Alltag bisher selten untergekommen. Das hat sich geändert, seit es immer öfter von Jugendlichen verwendet wird. Dabei wollen männliche Muslime ihren Klassenkolleginnen immer öfter vorschreiben, was „haram“ ist. Dazu zählen unter anderem kurze Röcke oder rauchen.

„Eine Art Machtgefühl“

Die jugendlichen Sittenwächter sind bei sich selbst allerdings nicht so streng. Das hat auch Melisa Erkurt bemerkt. Die Redakteurin des Magazins „biber“ hat in einer Titelgeschichte auf das Jugend-Phänomen aufmerksam gemacht. Im Rahmen eines Schulprojekts war sie - selbst Muslimin - damit konfrontiert. „Sie haben mich gefragt, warum ich kein Kopftuch trage. Und ob es nicht ‚Haram‘ wäre, mit männlichen Kollegen zusammenzuarbeiten“, sagte sie gegenüber der ZIB 2.

Zwar würde nur ein kleiner Teil der Burschen die Mädchen mit „Haram“ drangsalieren, allerdings würde es sich in jeder Klasse wiederholen. Für Erkurt ist es eine pseudoreligiöse Jugendkultur. „Es war einfach ein Trend. Ihre Lieblings-Rapper haben über ‚Haram‘ und so gesprochen und dann war es auf irgendwelchen Facebook-Videos. Es ist ein Trend, aber auch eine Art Machtgefühl.“

Mobbing durch Haram-Sittenwächter

„Haram“ steht im Islam für das Verbotene. Immer mehr Jugendliche meinen, sich als Sittenwächter aufspielen zu müssen.

Diese Art der Machtausübung zeigt laut der „biber“-Journalistin Auswirkungen bei den Mädchen. „Ein Mädchen hat mir erzählt, sie habe all ihre Social-Media-Accounts gelöscht. Einfach weil sie Angst hatte, dass dann irgendein Foto von den Jungs aufgegriffen wird, auf dem sie zu lasziv dreinschaut und dass sie dann in der Klasse gemobbt wird.“ Laut Erkurt würden die Mädchen nur darauf warten, dass ihnen jemand sagt, dass sie sich nicht an die Vorschriften zu halten hätten - eine Art Role Model.

Ernüchternder Workshop in Neuer Mittelschule

In der Neuen Mittelschule Gassergasse hat das Wort „Haram“ ebenfalls Einzug gehalten. „Da sind Mädchen schon gekommen, weil sie von den Burschen in dieser Art und Weise reglementiert werden. Dass sie aufgefordert werden: Zieh dich ordentlich an oder gib die Haarsträhne rein“, sagte Direktorin Andrea Walach.

Vor dem Lehrpersonal würden sich die Schüler allerdings zusammenreißen. Ein Workshop habe dennoch Ernüchterndes zutage gefördert. „In diesem Workshop hat sich herausgestellt, dass die Burschen schon lieber wollen, dass ihre Frauen zuhause bleiben und den Haushalt führen und die Kinder erziehen. Die Mädchen haben interessanterweise auch gesagt, dass sie das bevorzugen.“

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