Wien bewirbt sich um EU-Arzneimittelagentur

Im Zuge des „Brexit“ muss die in London ansässige EU-Arzneimittelagentur übersiedeln. Eine breite Allianz heimischer Player will nun in Brüssel dafür lobbyieren, die Agentur nach Wien zu holen.

Kanzleramt sowie Außen-, Gesundheits- und Finanzministerium sagten, dass sich Österreich für den künftigen Sitz der European Medicines Agency (EMA) bewerbe und Wien der Wunschstandort sei. Die Agentur ist für Zulassungen und die Überwachung von Arzneimitteln zuständig. Auch die Sozialpartner betonten die Vorteile, die ein Umzug der EMA brächte.

Rund 133 Mio. Euro zusätzliche Wertschöpfung

Wiens Wirtschaftskammer-Präsident Walter Ruck betonte, dass eine Übersiedlung der EMA rund 133 Mio. Euro an zusätzlicher jährlicher Wertschöpfung für die Bundeshauptstadt brächte. Die derzeit in der Behörde beschäftigten knapp 900 Mitarbeiter bedeuteten in etwa elf Mio. Euro an Sozialversicherungsabgaben und sechs Mio. Euro an Einkommenssteuer.

Freilich habe man mit Schweden, Dänemark, Italien oder Frankreich durchaus harte Konkurrenz, aber Wien biete viele Vorteile. Immerhin sei die Pharmaindustrie hier bereits mit 430 Unternehmen und mehr als 22.000 Mitarbeitern sehr stark vertreten. Man biete hoch qualifiziertes Personal, einschlägige Forschungsstätten und leistungsstarke Infrastruktur. Insofern schätze er die Chancen als „sehr gut“ ein, so Ruck.

Areal um Hauptbahnhof als möglicher Sitz

Arbeiterkammer-Chef Rudolf Kaske ging vor allem auf die „Sogwirkung“ einer Ansiedlung ein. So würde die EMA andere Player der Branche nach Wien locken und Zuwächse im Kongresstourismus bringen: „Wien könnte zu einer der wichtigsten Life-Science-Städte der Welt werden.“ Als Standorte für die EU-Institution, deren Büroflächenbedarf mit 20.000 Quadratmetern beziffert wird, kann sich Kaske etwa das Areal um den neuen Hauptbahnhof oder den früheren Nordbahnhof vorstellen.

Was den Zeitplan anbelangt, lasse sich derzeit nichts allzu Genaues sagen, verwiesen beide Herren auf das noch wenig konkrete EU-Ausstiegsszenario Großbritanniens. Ruck rechnet mit einer Entscheidung, die der EU-Rat fällen muss, bis spätestens Ende 2018.

AUA rechnet mit mehr Passagieraufkommen

Neben der Bundesregierung ist vor allem auch die Wirtschaftsagentur der Stadt Wien in die Bewerbung involviert. Sie ist vorrangig für die Organisation eines geeigneten Grundstücks, aber auch für die Betreuung der Mitarbeiter - etwa was internationale Schulen für deren Kinder betrifft - zuständig. Was mögliche Standorte anbelangt, wolle man derzeit noch keine Optionen öffentlich nennen, um die Verhandlungsposition nicht zu schwächen, hieß es von einer Sprecherin.

Der Bewerbung wurde jedenfalls von verschiedener Seite Beifall gezollt. AUA-Vorstand Andreas Otto begrüßte etwa den Vorstoß. Die Fluglinie erwartet sich nicht zuletzt durch Konferenzen und Kongresse mehr Passagieraufkommen. Eine Institution wie die EMA diene hier als „Multiplikator“, sagte Sprecher Peter Thier.

Beifall von Ärztekammer und Pharmaindustrie

„Volle Unterstützung“ versprach auch Wiens Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres, wobei er seine Botschaft mit Kritik verknüpfte: „Ärztinnen und Ärzte sowie Forscher laufen uns in Österreich aufgrund vieler hausgemachter Probleme davon.“ Durch EMA-Ansiedlung gebe es die „einmalige Chance, dem entgegenzusteuern“, meinte er in einer Aussendung.

Unterstützung „aus vollen Kräften“ versprach auch der Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs (Pharmig). Präsident Martin Munte erhofft sich dadurch „hervorragende neue Perspektiven“ für Unternehmen in den Bereichen Pharma, Life Sciences und Biotech. Der Rektor der MedUni Wien zeigte sich ebenfalls erfreut.

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