Bundesheer sucht inneres Gleichgewicht

Das österreichische Bundesheer setzt immer häufiger auf Teambuilding-Maßnahmen. So sollen Konflikte auf sanfte Weise vermieden und gelöst werden. Für die Soldaten bedeutet das mitunter auch Körperkontakt auf Befehl.

„Kameraden, ich bitte Sie, das Brett zu besteigen“, befiehlt Major Markus Treml-Krumböck mit weicher Stimme. Die acht Grundwehrdiener sollen auf einem Holzbalken balancieren und die Plätze tauschen, ohne hinunter zu fallen. Ziel ist es, am Ende alphabetisch - und zwar nach dem Anfangsbuchstaben des Vornamens - geordnet zu sein.

Es geht nicht darum, ob diese Übung gelingt. Viel eher soll abgeschätzt werden, wie und ob sich die Teilnehmer auf intensiven Körperkontakt einlassen können. Das sei deshalb wichtig, da es „im Rahmen einer Auftragserfüllung notwendig sein kann, die Intimsphäre zu überwinden, auch wenn es sich unangenehm anfühlt“, erklärt Treml-Krumböck. Er ist nicht nur Major, sondern auch Teamtrainer beim österreichischen Bundesheer.

Bundesheer bildet Teamtrainer selbst aus

Die Teamtrainer haben mehrere Aufgaben. Sie sollen Führungskräfte ausbilden, Gruppendynamiken verbessern und Konfliktherde beseitigen. Das soll über Methoden wie die „Balken-Übung“ geschehen, aber auch durch geleitete Diskussionsrunden. Solche Trainings werden hauptsächlich mit Berufssoldaten gemacht, meint Oberst Hubert Pöchlauer, der selbst Teamtrainer ist. Vor der ORF-Kamera wurden aber Grundwehrdiener zum Vorführen der Übung abgestellt.

Pöchlauer führt die „Balken-Übung“ in der Vega-Payer-Weyprecht Kaserne mit Treml-Krumböck gemeinsam durch. Er beobachtet und analysiert. Die Ausbildung zum Teamtrainer dauert fünf bis zehn Jahre. Sie ist vom Dienstgrad unabhängig. „Es ist ein internes Auswahlverfahren, das für Kadersoldaten angeboten wird“, sagt Pöchlauer. Über Seminare, Kurse und praktische Übungen innerhalb des Heeres könne die Qualifikation gesteigert werden, sagt Pöchlauer.

Kontaktintensives Kennenlernen in der Vega-Payer-Weyprecht Kaserne

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Kontaktintensives Kennenlernen in der Vega-Payer-Weyprecht Kaserne

Widerstände gegen neue Methoden

Teambuilding sei dringend notwendig, erklären die beiden Teamtrainer. Das hierarchisch durchorganisierte Bundesheer treffe auf neue Gesellschaftsstrukturen - und müsse sich darauf einstellen. Nicht alle Elemente im österreichischen Bundesheer seien damit einverstanden, erklärt Pöchlauer.

Vor allem Alteingesessene hätten Anpassungsschwierigkeiten: „Natürlich gibt es Widerstände gegen neue Methoden. Ich denke aber, dass es uns gelingt, über Überzeugungsarbeit und durch korrekte Aufarbeitung, auch den Sinn für alle Beteiligten zu offenbaren.“ Manche Teilnehmer würden erst Jahre später erkennen, was ihnen das Training gebracht hat. „Pro Jahr gibt es im Bundesheer 80 Outdoor-Übungen zum Teambuilding mit zirka 700 teilnehmenden Personen“, sagt ein Heeressprecher.

Auf Nachfrage bei jungen Kadersoldaten, bekommt wien.ORF.at durchwegs positives Feedback. Vor allem bei neuen Kompanien sei oft nur wenig Zeit, Probleme zu lösen, die sich zwangsläufig ergeben. Dafür sei regelmäßiges Teambuilding wichtig, sagen die jungen Berufssoldaten.

Sanfte Konfliktprävention

Neben den Teamtrainern gibt es im Heer noch die Mediatoren, die dann zum Einsatz kommen, wenn es intern richtig kracht. Um Mediator zu werden, ist eine psychologische Grundausbildung außerhalb des Heeres notwendig. Heeresmediatoren gebe es in Österreich nur rund 20, sagt Pöchlauer: „Die Mediation soll eine Krisenmaßnahme bleiben.“ Teamtrainer sollen verhindern, dass es überhaupt zu schwereren Konflikten kommt.

Die jungen Soldaten mussten Plätze tauschen, ohne vom Balken zu purzeln

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Die jungen Soldaten mussten Plätze tauschen, ohne vom Balken zu purzeln

Die acht Grundwehrdiener stehen wieder in einer Reihe. Sie müssen sich ein weiteres Mal ordnen, diesmal ohne Balken und nach der „größten Entfernung, die ihr jemals von zuhause entfernt ward“, so Treml-Krumböcks Auftrag. Die Grundwehrdiener ordnen sich folgendermaßen: Spanien, Italien, Indonesien, Indonesien, Brasilien, Chile, China, Japan. „Gefühlsmäßig steht’s ihr ganz gut“, lobt Treml-Krumböck.

Internationale Vorreiterrolle?

Jeder Übung folgt eine Nachbesprechung, wo Erlebnisse und Gefühle der Teilnehmer reflektiert werden sollen. Worum es in den Übungen gegangen sei, fragt Treml-Krumböck. Die Stichworte „Informationsaustausch“ und „Kameradschaft“ fallen. Der Teamtrainer gibt den jungen Männern recht: „Je mehr ich voneinander weiß und in der Kameradschaftspflege austausche, umso leichter wird es mir auch beim Bewältigen von militärischen Aufgaben fallen, dem anderen zu vertrauen.“

Teamtrainer Pöchlauer ist der Meinung, dass das Bundesheer in Sachen Teambuilding eine internationale Vorreiterrolle einnehme: „Das österreichische Bundesheer beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit diesen Methoden und zieht auch wissenschaftliche Erkenntnisse heran, sie zu verbessern.“ Die britische Armee habe sich sogar schon nach den Methoden erkundigt, freut sich Pöchlauer.

Michael Hammerl, wien.ORF.at

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