Immer mehr Wiener leiden an Diabetes

„Zucker ist in Wirklichkeit etwas Entbehrliches", sagt der Wiener Diabetologe Thomas Wascher. Die Zahl der zuckerkranken Wienerinnen und Wiener steigt aber stetig. Ein Programm will Betroffenen helfen.

In Österreich gibt es rund 600.000 Diabetiker. Wien ist im Bundesländervergleich Spitzenreiter. Fast zehn Prozent der über 14-Jährigen und Erwachsenen sind zuckerkrank - Tendenz stark steigend. Einen der Gründe dafür sieht Diabetologe Wascher in der Bevölkerungsstruktur Wiens. „Alle sogenannten lebensstilassoziierten Erkrankungen, wie Diabetes, kommen schlichtweg häufiger in Ballungsräumen vor, wo das das Einkommensniveau niedrig und die Sprachbarriere hoch ist“, erklärt Wascher gegenüber Radio Wien.

„Zucker ist in Wirklichkeit was Entbehrliches"

Der Lebensstil sei dabei zu häufig durch eine schlechte und zuckerhaltige Ernährung geprägt, wie Wascher betont. Industriezucker, wie er in Limonaden oder Fertigprodukten vorkommt, müsse daher reduziert werden: „Zucker ist in Wirklichkeit etwas Entbehrliches. Wir brauchen Zucker für Süßspeisen. Diese sollten aber eine Ausnahme darstellen. Was wir eigentlich brauchen für unseren Energiehaushalt sind Kohlenhydrate, aber keinen raffinierten Industriezucker“, stellt Wascher klar.

Zu viel Zucker zu essen, führe zu Übergewicht und Fettleibigkeit. Das befördere indirekt Diabetes-Erkrankungen, so Wascher. Zudem verweist der Diabetologe auf den Umstand, dass das Angebot an zuckerhaltigem Essen im Stadtgebiet größer ist als am Land. Hinzu komme, dass das Stadtgebiet bewegungsfeindlicher sei als ländliche Gebiete, wo man sich im Alltag zwangsläufig mehr bewegen müsse. Diese Kombination aus wenig Bewegung und schlechter, zuckerhaltiger Ernährung führe zu einem Anstieg der Diabetes-Zahlen in Ballungszentren wie Wien, erklärt Wascher.

Programm ‚Therapie Aktiv‘ will gegensteuern

Die Dunkelziffer an Diabeteskranken dürfte jedoch weit über den vorhandenen Zahlen liegen. Denn zu Beginn einer Typ-2-Diabetes, auch Altersdiabetes genannt, treten kaum Beschwerden auf. Viele wissen anfangs gar nicht, an Diabetes erkrankt zu sein. Die Erkrankung kommt oft erst durch Zufall bei Routinekontrollen ans Licht. Eine unbehandelte Zuckerkrankheit kann im schlimmsten Fall mit Blindheit, Herzinfarkt oder einem frühen Tod enden.

Vor zehn Jahren ist in Österreich ein Betreuungsprogramm für Typ-2-Diabetiker durch die Krankenkassen gestartet worden. Nach mäßigem Start, bekommt das Programm „Therapie Aktiv – Diabetes im Griff“ nun deutlich mehr Zulauf. 56.460 Patienten nahmen Ende vergangenen Jahres an dem Programm teil. Davon kamen alleine 15.300 Diabetes-Patienten aus Wien.

„Jedes Jahr in Österreich rund 10.000 Todesfälle“

Bei dem Behandlungsprogramm sollen Zuckerkranke langfristig durch den Hausarzt begleitet werden und so lernen, mit dieser chronischen Krankheit umzugehen. Das bedeutet nicht nur regelmäßige Untersuchungen, Kontrolltermine (z.B. alle drei Monate) und Schulungen. Auch Zielvereinbarung zwischen Arzt und Patient – etwa das Ernährungsverhalten, das Gewicht oder den Tabakkonsum betreffend - sind Teil des Programms.

Das soll vor allem dabei helfen, Diabetes-Spätschäden vorzubeugen: „Jedes Jahr gibt es in Österreich rund 10.000 Todesfälle in Folge von Diabetes, 2.500 Amputationen, 300 neue Dialysepatienten und 200 neu erblindete Patienten“, verweist Wascher auf die Bedeutung einer regelmäßigen Behandlung der Krankheit. Und das Programm zeigt erste Erfolge. Eine wissenschaftliche Studie der MedUni Graz hat vor einiger Zeit ergeben, dass Typ-2-Diabetiker in dem Programm eine um 35 Prozent niedrigere Sterblichkeit sowie um zehn Prozent weniger Folgeschäden aufweisen.

Prävention im Kindergarten gefordert

Diabetes-Programme wie „Therapie Aktiv“ seien zwar qualitativ gut und verbessern die Behandlung von Zuckerkranken. „Es müsse aber mehr Wert auf Prävention gelegt werden. Und das schon im Kindergarten. Mehr Bewegung und eine gesunde Ernährung mit weniger Zucker für Kinder würde die Zahl der Diabetiker von morgen reduzieren“, erklärt Wascher.

Die Diabetes-Prävention sei somit keine Aufgabe im medizinischen Sinne. Ärzte seien dafür da, zu sagen, was notwendig wäre: nämlich sich gesünder, zuckerreduziert zu ernähren und sich viel mehr zu bewegen. Die Zahl der Zuckerkranken zu reduzieren sei aber letzten Endes eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, „die uns alle betrifft“, so Wascher.

Zucker-Themenschwerpunkt im ORF

Auch der ORF widmet sich im Zuge einer „bewusst gesund“-Schwerpunktaktion den Themen Zucker und Diabetes. Unter dem Motto „Zucker - Das süße Gift“ soll von 18. bis 24. März Bewusstsein dafür geschaffen werden, außerdem gibt es Informationen über Krankheitsprävention und -therapie - mehr dazu in bewusstgesund.ORF.at.

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