Wiener Video Rekorder: 500 Privatfilme online

Hochzeiten, Ausflüge bis Reisen: Die Österreichische Mediathek hat 3.000 Stunden privates Amateurvideo-Material aus den 1980er- und 1990er-Jahren zu Forschungszwecken digitalisiert. Rund 500 Clips sind nun online abrufbar.

„Wiener Video Rekorder“ nennt sich das Projekt der Österreichischen Mediathek des Technischen Museums. In den vergangenen drei Jahren wurden rund 2.000 Videokassetten von Wiener Privathaushalten gesammelt, teils restauriert und in beständiges Digitalformat umgewandelt, erzählte Leiterin Gabriele Fröschl bei der Präsentation.

Wiener Video Rekorder: 500 Privatfilme online

Die Österreichische Mediathek hat 2.000 private Videos von Wienerinnen und Wienern gesammelt und stellt sie jetzt zum Anschauen ins Netz.

Private Filme für die Forschung

Die Idee: Ein Stück Alltagskultur sollte vor dem - nicht zuletzt materialbedingten - Verfall gerettet und für wissenschaftliche Forschung zugänglich gemacht werden: „Privatsammlungen finden nur schwer den Weg in öffentliche Archive.“ Und in öffentlichen Erinnerungen würden bestimmte Themen zu kurz kommen - mehr dazu in Private Videokassetten für die Forschung.

Gabriele Fröschl, Leiterin Österreichische Mediathek, Michael Stampfer, GF Wiener Wissenschafts- Forschungs- und Technologiefonds und Gabriele Luna-Kratky, Direktorin Technisches Museum.

Technisches Museum

Gabriele Fröschl (Leiterin Österreichische Mediathek), Michael Stampfer (Geschäftsführer Wiener Wissenschafts- Forschungs- und Technologiefonds) und Gabriele Luna-Kratky (Direktorin Technisches Museum)

Blick auf „Nebensächlichkeiten“

Der Großteil der Amateurfilmchen entstand in der VHS-Blütezeit - also in den 1980er- und 1990er-Jahren. Am häufigsten wurde der Alltag von Freunden und der Familie festgehalten, gefolgt von Freizeitaktivitäten, Festen und Reisen, sagte Fröschl. Freilich haben sich mit dem Aufkommen der Videotechnologie auch die Möglichkeiten geändert. Anders als bei den teuren Filmrollen konnte nun billiger und somit länger gedreht werden, was den Blick auch auf vermeintliche Nebensächlichkeiten gelegt habe, so die Projektleiterin.

Als Beispiel dafür diente etwa ein sehr ausführlicher Schwenk über eine angerichtete Hochzeitstafel oder Umgebungsaufnahmen aus Hietzing 1997. „Solche Dokumente erlauben Einblicke in das frühere Stadtbild und den öffentlichen Raum“, freute sich Fröschl.

Abgesehen von den Kosten war natürlich auch die erstmalige Möglichkeit, den Ton gleich mit dem Bild festzuhalten, besonders reizvoll - was folglich auch unfreiwillige Off-Kommentare zur Folge hatte. „Georg, bitte bleib herunten da“, rügt da etwa ein Vater seinen Sohn, der beim Tiergartenausflug Anfang der 1980er-Jahre gerade dabei war, aufs Geländer des Eisbärbeckens zu klettern.

Videokassetten Mediathek

ORF

Rund 2.000 Videokassetten wurden gesammelt

„Gitti, Wolfi, schaut’s her einmal“

Eine der Stimme nach ältere Dame hat wiederum Urlaubseindrücke einer Kroatienreise - damals noch Jugoslawien - 1989 für die Nachwelt dokumentiert. „Gitti, Wolfi, schaut’s her einmal“, wünscht sie sich weniger Kamerascheu von den Mitreisenden. „Interessant bei diesen Reisevideos ist der Blick auf die Fremde“, meint Fröschl. Und auch der Trend von Europa- zu Fernreisen im Lauf der Zeit wird anhand der Clips sichtbar.

Video diente aber auch der Herstellung von Gegenöffentlichkeit. So hielten Aktivisten etwa 1983 die Räumung des selbst verwalteten Zentrums „Gassergasse“ (GAGA) auf Band fest, um der öffentlichen Berichterstattung ihre Sicht der Dinge entgegenzuhalten.

Digitale Kopie für „Spender“

Aufgetrieben hat man die Videos mit öffentlichen Aufrufen an die Bevölkerung. Viele stellten ihr Material nicht zuletzt deshalb zur Verfügung, weil die Mediathek den Spendern jeweils eine digitale Kopie der Aufnahmen überließ. Gänzlich öffentlich einsehbar ist der gesammelte Bestand nicht, aber immerhin jene 500 Clips, „wo es rechtlich und ethisch möglich war“.

Gabriele Zuna-Kratky, Direktorin des Technischen Museums, betonte die Wichtigkeit dieses „Gedächtnisspeichers“. Durch die Betrachtung von Vergangenem könne man das Gegenwärtige besser bewerten und verstehen, sagte sie. Das Projekt wurde mit 237.000 Euro vom Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds (WWTF) gefördert.

Material von zugewanderten Wienern habe man kaum bekommen, sagte Projektleiterin Fröschl auf Nachfrage. Denn erstens sei es schwierig, Privatschätze von „eher geschlossenen Gruppen“ zu erhalten. Und zweitens sei der Digitalisierungsgrad im migrantischen Milieu bereits weiter fortgeschritten, da Zuwanderer diese Technologie oft für die Kommunikation mit ihren Heimatländern einsetzten.

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