Höhen und Tiefen der Wiener Philharmoniker

Ohne sie gäbe es kein Neujahrskonzert und in der Oper wäre es ziemlich still. Heuer feiern die Wiener Philharmoniker ihr 175-jähriges Jubiläum. Dieses gibt es nun auch in Buchform nachzulesen - samt 851 Musikerinnen und Musikern.

Die Wiener Philharmoniker haben eine Orchestergeschichte mit insgesamt 851 Einzelschicksalen. „Wie ist es gekommen, dass aus so verschiedenen Individualitäten mit verschiedenen Herkünften, Mentalitäten und Spielweisen doch eine Einheit entstanden ist“, fragte sich Musikwissenschafter und Buchautor Christian Merlin. In seinem 640 Seiten starken Buch, das aus zwei Bänden besteht, beleuchtete er die Geschichte des Orchesters durch die Biografien aller bisheriger Philharmoniker.

Wiener Philharmoniker bei Neujahrskonzert 2011

APA/Herbert Neubauer

851 Musikerinnen und Musiker spielten bisher bei den Wiener Philharmonikern

Kapitel über Nationalsozialismus

Das Orchester erlebte viele Glanzzeiten - wie unter Gustav Mahler. Intensiv behandelt wird das dunkle Kapitel des Nationalsozialismus: 17 Musiker wurden demnach von 1938 bis 1945 Opfer des Regimes und mussten ausscheiden, darunter 13 aktive Philharmoniker.

Fünf davon starben im Konzentrationslager. Einzelschicksalen wie dem des Konzertmeisters Ricardo Odnoposoff, der als Argentinier an der Erbringung des Ariernachweises scheiterte, gibt Merlin ebenso Raum wie Wilhelm Furtwänglers Einsatz für „jüdisch Versippte“ oder „Mischlinge“ - um die Spielfähigkeit der Philharmoniker zu erhalten.

Als Bilanz hätten sich die Philharmoniker der Doktrin der Nazis „im besten Fall mit passivem Fatalismus, im schlimmsten Fall mit schuldhafter Mittäterschaft“ gebeugt. Auf die Krise der Nachkriegszeit folgen unaufhaltsamer Aufstieg, viele Auslandstourneen, die Aufnahme von Frauen und das Sommernachtskonzert.

Buch

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Buchhinweis:

Christian Merlin: „Die Wiener Philharmoniker. Das Orchester und seine Geschichte von 1842 bis heute“, Amalthea Verlag, 640 Seiten, 108 Euro

Unstimmigkeiten und niedrige Gagen

„Die schönste Phase ist die vom ersten bis zum letzten Tag, wo man selbst Philharmoniker ist“, sagte der ehemalige Vorstand Clemens Hellsberg. „Jede Zeit hat ihre tollen Momente, und ich hoffe, dass das alle auch so genießen, wie ich das damals genossen habe“, so der Cellist Franz Bartolomey.

Gelegentlich gab und gibt es natürlich auch Unstimmigkeiten. „In allen Großgruppen gibt es verschiedene Strömungen und Meinungen - und mit dem muss man umgehen können“, meint Hornist Wolfgang Vladar.

Die Basis des Orchesters stellt die Tätigkeit als Staatsopern-Orchester dar sowie die Zusammenarbeit mit großen Dirigenten. Viele davon kommen für eine niedrigere Gage als international üblich, weil es als Ehre gilt, dieses Orchester zu dirigieren.

Christian Merlin

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Christian Merlin, der unter anderem auch als Musikkritiker für „Le Figaro“ arbeitet, schrieb das neue Wiener-Philharmoniker-Buch

„Geschichte kennen“ als Erfolgsrezept

Zur Zeit der Monarchie war die Situation der Musiker ohne finanzielle Absicherung oft prekär. Mittlerweile ist das Orchester selbst bei einigen Hilfsprojekten engagiert. „Wir sind natürlich froh darüber, dass es uns heute sehr gut geht, und dass wir diese Möglichkeiten haben“, so Harald Krumpöck, der Geschäftsführer der Wiener Philharmoniker. Das Erfolgsrezept von Philharmoniker-Vorstand Andreas Großbauer: „Wir befinden uns ja zwischen Tradition und Innovation und man muss die Geschichte kennen, um die Zukunft gestalten zu können.“

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