Kritik an Abschiebungen nach Afghanistan

Ein 18-jähriger Flüchtling ist diese Woche von Wien nach Afghanistan abgeschoben worden. Die Asylkoordination übt massive Kritik - und sie sagt, es würden seit kurzem auffallend viele Flüchtlinge dorthin zurückgebracht.

Per Linienflieger wurde der 18-jährige Nasir am Montag nach Afghanistan abgeschoben. Auch eine Demonstration auf dem Wiener Flughafen verhinderte dies nicht. „Es geht ihm nicht so gut. Er ist ganz allein“, erzählte sein Freund Umaid, der Nasir für „Wien heute“ in Kabul anrief. Er wohne derzeit in einer privaten Unterkunft, könne dort jedoch nur mehr zwei bis drei Wochen bleiben. „Dann hat er kein Geld mehr“, so Umaid.

Nasir

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Seit Montag ist der 18-jährige Nasir zurück in Afghanistan

Kritik an Asylverfahren

Die Asylkoordination und Nasirs Anwalt üben scharfe Kritik an dessen Asylverfahren. Die vom Innenministerium zugewiesenen Rechtsberater hätten dieses schlecht geführt, vor dem Bundesverwaltungsgericht sei Nasir nicht mehr angehört worden. „Er hat keine mündliche Verhandlung gehabt, wo er seine Fluchtgründe hätte entsprechend darlegen können“, so Nasirs Anwalt Christian Schmaus im Interview mit „Wien heute“.

TV-Hinweis:

„Wien heute“, 18.3.2017, 19.00 Uhr, ORF2 und danach online unter tvthek.ORF.at.

Nasir sei zudem kein Einzelfall, sagt Schmaus. Es würden zunehmend mehr Menschen nach Afghanistan abgeschoben. Als Ursache dafür sieht Schmaus einen seit Oktober des Vorjahres bestehenden Kooperationsvertrag zwischen Afghanistan und der EU, laut dem Afghanistan bis zu 80.000 Flüchtlinge zurücknehmen soll.

Demonstration auf Flughafen

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Umaid bei der Demonstration gegen Nasirs Abschiebung am Montag

Innenministerium: Kein Anstieg bei Abschiebungen

Im Innenministerium dementiert man einen Anstieg bei den Abschiebungen nach Afghanistan wegen des Abkommens. Zwangsweise Rückführungen nach Afghanistan seien nach wie vor eine absolute Ausnahme, sagte Ministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck.

Von insgesamt 4.880 Abschiebungen im Jahr 2016 betrafen 497 afghanische Staatsbürger. Allerdings wurden dabei auch Abschiebungen in ein anderes EU-Land mitgezählt. Zahlen für 2017 liegen laut Innenministerium noch keine vor. In Wien haben aktuell 116 afghanische Flüchtlinge einen negativen Asylbescheid.

„20 Menschen in Schubhaft genommen“

Ausnahmefälle seien Abschiebungen nach Afghanistan nur in der Vergangenheit gewesen, kontert hingegen Herbert Langthaler von der Asylkoordination Österreich. „Jetzt wurden 20 Menschen in Schubhaft genommen. Wobei wir bei zweien über den Anwalt der Betroffenen Genaueres wissen. Das sind in beiden Fällen unbescholtene Menschen“, kritisierte Langthaler.

Auch Nasirs Freund Umaid hat Angst vor einer Abschiebung. Er ist seit Dezember 2015 in Österreich. Seine Fluchtgründe sind ähnlich wie die von Nasir: Die Angst vor der Verfolgung durch die Taliban. Umaids Asylverfahren läuft noch, und Anwalt Schmaus und die Asylkoordination unterstützen ihn nun dabei.

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