Mafia-Prozess: Zehn Jahre für „Edo“

Nach einem halben Jahr Verhandlungszeit sind im Wiener Mafia-Prozess am Nachmittag die Urteile ergangen. Alle Angeklagten wurden schuldig gesprochen. Der mutmaßliche Kopf der Bande, der Hauptangeklagte Edin D. alias „Edo“, erhielt zehn Jahre Haft.

Die sechs Männer und eine Frau wurden am Landesgericht allesamt u. a. wegen schwerer Erpressung, Mitgliedschaft einer kriminellen Vereinigung und Körperverletzung schuldig gesprochen. Die mutmaßlichen Komplizen des Hauptangeklagten wurden zu 18 Monaten bis sechs Jahren verurteilt.

Die Angeklagten sollen der kriminellen Vereinigung „Struja“ (auf Deutsch: Strom) angehört haben, deren Spitze Edin D. gebildet haben soll. Den mittlerweile 38-Jährigen kennt man in der Balkan-Meile am Wiener Gürtel unter seinem Spitznamen „Edo“.

Hohe Polizeipräsenz zu Prozessbeginn

APA/Herbert Neubauer

Der Prozess fand unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt

Hauptangeklagter: Habe nur Sportclub gegründet

Der 38-jährige Hauptangeklagte leugnete stets, etwas mit der Schutzgelderpressung zu tun zu haben, er habe lediglich einen Sportclub gegründet, um sich Burschen aus Tschetschenien und Ex-Jugoslawien anzunehmen. Allerdings wurde einer seiner Schützlinge, einst ein großes Nachwuchstalent im heimischen Boxsport, am Donnerstag ebenfalls verurteilt, weil ihn sein Förderer als Türsteher in einem Lokal in der Ottakringer Straße untergebracht haben soll, wo gezielt Schlägereien angezettelt wurden, bei denen Lokalbesucher teilweise erheblich verletzt wurden.

Damit wollte man die Eigentümer dazu bringen, einen weiteren Mann aus „Edos“ Verein als Türsteher und die mitangeklagte Frau, die ihm nahe stand, als Kellnerin anzustellen. Im November 2015 soll schließlich einer der Eigentümer mittels anhaltender Drohungen dazu genötigt worden sein, seinen Anteil am Lokal zu verkaufen, um mit Nachdruck geforderte 50.000 Euro aufbringen zu können.

Aus dem im Gegenzug dafür in Aussicht gestellten Rückzug der Bande wurde aber nichts. Obwohl zum Jahreswechsel die 50.000 Euro den Besitzer wechselten, wurde der Staatsanwaltschaft zufolge nunmehr der neue Teilhaber des Lokals bedrängt, der Ende Februar 5.000 Euro zahlte, um seine Ruhe zu haben.

Urteile nicht rechtskräftig

Das Schöffengericht (Vorsitz: Michael Tolstiuk) sah es nun als erwiesen an, dass es sich bei „Edo“ um den Kopf der Bande handelte. Seine Leute sollten die Schlägereien in den Lokalen anzetteln, um anschließend Schutz zu bieten. „Die Raufereien und Körperverletzungen waren bewusst gesteuert, um hier für Unruhe zu sorgen, damit sie später ihre Dienste anbieten können“, sagte Tolstiuk in seiner Urteilsbegründung. Die Zeugen - Lokal- und Geschäftsbesitzer - seien sehr glaubhaft gewesen.

Die Angeklagten wurden nicht in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen. In einigen Bereichen - Erpressung, Körperverletzung und Raub - gab es Freisprüche. Drei Angeklagte, die 18 Monate, 2,5 bzw. 3,5 Jahre Haft erhalten haben, verzichteten auf Rechtsmittel, alle anderen erbaten sich drei Tage Bedenkzeit, darunter „Edo“, der von Anwalt Herbert Eichenseder vertreten wurde. Die einzige angeklagte Frau, die von Philipp Wolm vertreten wurde, fasste zwei Jahre aus, wobei ihr 16 Monate bedingt nachgesehen wurden. Staatsanwalt Filip Trebuch meldete sofort Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an.

Schon vor rund zehn Jahren beschäftigte der Hauptangeklagte die Kriminalisten, als im damals von ihm betriebenen Cafe Cappuccino in Hernals ein Lokalbesucher erschossen und ein weiterer Mann schwer verletzt wurden. Der Mord konnte nie aufgeklärt werden, inwieweit „Edo“ in die Schießerei verwickelt war, blieb ungeklärt.

Drohungen, Kopfgeld und Absprachen in Haft

Am 16. Verhandlungstag kamen die letzten Zeugen zu Wort, die sich jedoch äußerst wortkarg zeigten. Der häufigste Satz war: „Ich kann mich nicht erinnern.“ Die nun auf der Anklagebank Sitzenden habe man „nur vom Sehen gekannt“. Aber von Schlägereien in diversen Lokalen, die von der Bande als Bedrohung gelten sollten, habe man nichts mitbekommen, sagten sie vor Gericht.

Ohne Probleme ist der Prozess nicht gelaufen: Ein Kronzeuge hat seine belastende Aussage vor Gericht geändert - mehr dazu in Mafia-Prozess: Zeuge nahm Aussage zurück. Einem weiteren Zeugen soll im Gefängnis gedroht worden sein, und angeblich wurde auf ihn ein Kopfgeld von einer Viertelmillion Euro ausgesetzt - mehr dazu in Mafia-Prozess: Hauptzeuge bedroht. Und der Hauptangeklagte soll sich in der Justizanstalt Josefstadt mit einem Zeugen abgesprochen haben.