Obdachlosen verprügelt: Milde Urteile

Jene drei Angeklagten, die in einer S-Bahn einen Obdachlosen schwer verletzt haben, sind am Straflandesgericht Wien zu teilbedingten Haftstrafen von zehn bis 24 Monaten Haft verurteilt worden.

Das Gericht sprach die Angeklagten wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung schuldig. Bei einer Strafdrohung von bis zu zehn Jahren wurde der mutmaßliche Haupttäter, ein 19-Jähriger, zu 24 Monaten Haft, davon acht Monate unbedingt, verurteilt. Der Rest wurde ihm unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Eine offene bedingte Vorverurteilung - vier Monate wegen vierfacher Körperverletzung - wurde widerrufen, sodass der 19-Jährige insgesamt zwölf Monate verbüßen muss.

Beiden 19-Jährigen erteilte der Schöffensenat die Weisung, sich einem Anti-Gewalt-Training zu unterziehen.

Sein ebenfalls 19-jähriger Komplize wurde zu 21 Monaten Haft verurteilt, davon sieben Monate unbedingt. Er wurde zusätzlich zur Prügelattacke auf den 55 Jahre alten Obdachlosen für eine Körperverletzung vor einer Diskothek in der Donaustadt schuldig gesprochen, wo er am 8. Jänner 2017 einem Burschen einen Oberkieferbruch sowie eine Fraktur der linken Augenhöhle zugefügt hatte.

Der dritte Angeklagte, 18 Jahre alt, der sich im Prozess nicht schuldig bekannte, erhielt zehn Monate bedingt. Das Opfer sowie ein Augenzeuge hatten - im Einklang mit der Verantwortung des 18-Jährigen - zwar erklärt, dieser hätte sich an den Gewalttätigkeiten nicht aktiv beteiligt, sondern wäre dabei gestanden. Der Senat folgte jedoch der Darstellung der Hauptangeklagten, die ihren Freund belastet hatten. Sämtliche Urteile sind nicht rechtskräftig.

Aus „Frust“ zugeschlagen

Der mutmaßliche Haupttäter gab an, er sei aus Frust und einer alkohol- und cannabisbedingten Enthemmung auf den Obdachlosen losgegangen. Der aus dem Schlaf gerüttelte Mann hätte „eine Bewegung gemacht, die ich damals als provozierend empfunden habe“, sagte der Angeklagte. Darauf habe er „zweimal zugeschlagen mit der Faust“. Frustriert war er, weil er aufgrund einer Handverletzung, die ihm einen Gips einbrachte, einen Barkeeper-Kurs nicht abschließen konnte.

„Den kann man ja nachmachen. Was wäre so schlimm daran gewesen?“, fragte ein Schöffe. Es sei einfach schon zu viel in seinem Leben schiefgelaufen, erwiderte der Angeklagte sinngemäß. Auf die Frage, weshalb er dem 55-Jährigen auf den Bahnsteig gefolgt sei und diesen dort dann regelrecht zusammengetreten hätte, meinte der Bursch, der Mann habe beim Verlassen der S-Bahn etwas gesagt. Er hätte ein „Hurensohn“ gehört und das auf sich bezogen: „Das hat mich derart wütend gemacht, dass ich ihm nachgelaufen bin.“

Prozess Obdachloser verprügelt

APA/Herbert Neubauer

Einer der Angeklagten im Gerichtssaal

Kickboxer fühlte sich und Begleiter bedroht

Der zweite zur Anklage gebrachte Schläger behauptete, er habe deswegen hingelangt, „weil er (der Obdachlose, Anm.) aggressiv rübergekommen ist. Ich hab geglaubt, der will meine Freunde angreifen“. Sein Verfahrenshelfer beschrieb den ebenfalls 19-Jährigen als einen jungen Mann, der sich an sich auf einem guten Weg befunden hätte: „Er war Landschaftsmaler, hat Ausstellungen gehabt.“ Nach einer diagnostizierten Diabetes wäre der Bursch aber „ins Uferlose abgeglitten“.

Dem Rugby-Spieler und Kickboxer wird neben der Prügelattacke auch ein schwerer Raub vorgeworfen. Er soll einen Monat zuvor - exakt am 17. Jänner - vor einer Diskothek in der Donaustadt zwei Burschen mit Gewalt deren Wertgegenstände abgenommen und dabei einem der beiden eine Fraktur der linken Augenhöhle und einen Oberkieferbruch zugefügt haben.

Der dritte Angeklagte sagte, er habe bei den Schlägen nicht mitgemacht: „Ich hab gar nix gemacht. Ich hab nicht hingeschlagen“, versicherte der 18-Jährige. Opfer und ein Augenzeuge bestätigten das.

Opfer nahm Entschuldigung nicht an

Nach der zeugenschaftlichen Einvernahme des verprügelten Obdachlosen entschuldigte sich der mutmaßliche Haupttäter bei diesem: „Es tut mir leid, was ich Ihnen angetan habe. Ich kann es leider nicht ändern.“ Sein Verteidiger Philipp Winkler legte dem Mann zwei 50-Euro-Scheine als vorläufige Schadensgutmachung hin, die er zuvor von im Zuschauerraum sitzenden Freunden des Angeklagten eingesammelt hatte. Der Obdachlose würdigte das Geld keines Blickes und verließ den Gerichtssaal mit den Worten „Das nehme ich ganz sicher nicht.“

Obdachloser schwer verletzt

Laut Anklage war das Trio gegen 1.20 Uhr in der Station Traisengasse in die S-Bahn eingestiegen, nachdem es sich untertags in einem Casino in Tschechien und später im Prater vergnügt hatte. Als die Männer den auf einer Sitzbank schlafenden Obdachlosen wahrnahmen, beschlossen sie diesen zu foppen. Sie rüttelten ihn wach, gaben sich als „Schwarzkappler“ aus und verlangten seinen Fahrschein. Der 55-Jährige reagierte ungehalten. „Ich hab ihnen gesagt, sie sollen mich in Ruh lassen“, berichtete dieser dem Schöffensenat.

Daraufhin ließen die beiden 19-Jährigen ihre Fäuste sprechen und schlugen dem Mann ins Gesicht und auf den Kopf, bis dieser blutete. Ein Zeuge schritt ein, forderte die Angeklagten auf, aufzuhören. Der 49-Jährige hielt dem mutmaßlichen Haupttäter sogar eine Handvoll Münzen hin. „Er hat mir zu verstehen gegeben, dass das zu wenig ist. Er hat 20 Euro verlangt. Die hab ich nicht parat gehabt“, schilderte der Mann als Zeuge dem Gericht.

Mutmaßlicher Haupttäter einschlägig vorbestraft

Durch das Eingreifen des Zeugen bekam der Obdachlose die Gelegenheit, aufzustehen und Richtung Tür zu gehen. „Wenn ich nicht aufgekommen wäre, wäre das sehr schlecht ausgegangen. Vermutlich tödlich. Die Tritte waren sehr wuchtig“, gab der Obdachlose zu Protokoll.

Als die S-Bahn in der Station Handelskai anhielt, stieg der Mann aus. Der Haupttäter - beschäftigungslos, dafür wegen vierfacher Körperverletzung einschlägig vorbestraft - folgte ihm, brachte den stark blutenden Mann zu Boden und versetzte ihm vier weitere wuchtige Tritte mitten ins Gesicht. Das Opfer erlitt einen offenen Nasenbeinbruch, Hämatome, Prellungen und eine Rissquetschwunde. „Er hatte wahnsinnig viel Glück, dass nicht weit mehr passiert ist“, hielt Staatsanwältin Katharina Wehle fest.

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