Beton-Weinrebe räkelt sich im Theseustempel

Der während des Sommers für Besucher geöffnete Theseustempel lockt Schaulustige heuer mit einer fruchtigen, wuchtigen Skulptur der jungen US-Künstlerin Kathleen Ryan. Eine Weinrebe aus Beton räkelt sich auf einer Matratze.

„Baccante“ heißt das Werk in direkter Referenz zu den klassischen Darstellungen dieser Jüngerinnen des Weingotts, etwa durch Caravaggio. Seine Weinrebe, in der Hand der Baccante drapiert, war für Ryan ein Ausgangspunkt: „Wie sie die Trauben hält, wie sie gemalt sind, mit dieser zum bersten gespannten Haut, der saftigen Sexualität - das wollte ich einfangen“, so Ryan, die mit dieser Auftragsarbeit für das Kunsthistorische Museum ihre erste Museumsausstellung überhaupt hat.

Theseustempel Baccante

KHM-Museumsverband

Ryan inszeniert eine Weinrebe, die auf einer Matratze drapiert ist

Die Kaskade ihrer übergroßen - anhand von Luftballons modellierten - Trauben ergießt sich über den Tempelboden im Volksgarten, zusammengehalten von einer Kette aus rostfreiem Stahl. Dass der leichte, spielerische Charakter des Werks in dieser Kette und ihren Assoziationen zu Gefangenschaft und Unterwerfung des Weiblichen gebrochen wird, ist nur eine von vielen semantischen Ebenen, die sich beim längeren Betrachten einstellen.

Keine „klassischen“ Besucher im Volksgarten

„Zunächst sollen die Werke im Theseus Tempel aber einfach wirken - die Besucher hier sind in der großen Mehrzahl keine klassischen Museumsbesucher, sie finden die Ausstellung mehr, als sie gezielt hingehen“, betonte Jasper Sharp, der die zeitgenössische Schiene im KHM kuratiert und Arbeiten der noch weitgehend unbekannten Bildhauerin in einer Londoner Galerie entdeckt hat. Absolventin des Master of Fine Arts-Programms an der University of California (UCLA) und ehemalige Archäologie-Studentin, hat Ryan in jüngster Zeit mit Skulpturen voller geistesgeschichtlicher Referenzen und in strikt industriellem Material auf sich aufmerksam gemacht.

Theseustempel Baccante

KHM-Museumsverband

Im Theseustempel werden keine typischen Besucher erwartet

Im Theseustempel ist es das siebente zeitgenössische Kunstprojekt und die vierte Auftragsarbeit. Im Vorjahr zählte man 152.000 Besucher. Das Zeitgenossen-Programm des historischen Museumskomplexes wird heuer noch mit einer Reihe von Gesprächen fortgeführt, darunter mit Filmemacher Wes Anderson, der als nächster Gastkurator verpflichtet ist.

„Ausstellungs-Experiment“ für 2018 geplant

2018 wird man außerdem ein Ausstellungs-Experiment starten und in die einzelnen Galerien des Hauses mit insgesamt 25 Werken aus der Kunstgeschichte von 1800 bis heute „eindringen“, also jene Zeitspanne, die der Sammlung des KHM „fehlt“. Jedes dieser Werke - von Cezanne bis Rothko, von Manet bis Brancusi - soll einen spezifischen Bezug zur Sammlung haben und auch an dieser Stelle hängen.

Die Hälfte der Werke wird von Frauen stammen, viele auch von anderen Kontinenten. „Vielleicht wird es eine Katastrophe“, kündigte Sharp sicherheitshalber an. 2019 kehrt man dann zu Einzelausstellungen zeitgenössischer Künstler zurück.

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