Blümel will Kurz als neuen Parteichef

ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner tritt ab. Wiens VP-Chef Gernot Blümel hätte gerne Außenminister Kurz als Nachfolger. Doch dieser stellt wohl Bedingungen. Zudem sprechen alle von Neuwahl, nur Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) nicht.

Wiens VP-Chef Gernot Blümel dankte Mitterlehner für seine Arbeit und seinen Einsatz. Er habe stets die Sachpolitik in den Vordergrund gestellt. „Die Politik der Inszenierung, die vom Koalitionspartner praktiziert wird, schadet unserem Land und blockiert jede vernünftige Zukunftsentwicklung“, so Blümel. Die weiteren Schritte seien von den Parteigremien zu beraten.

Blümel: „Die Leute wollen ihn“

„Wir müssen alles dazu tun, dass Sebastian Kurz Parteichef wird“, sagte er im „Wien heute“-Interview. „Die Leute wollen ihn.“ Das wäre auch ein Generationenwechsel innerhalb der ÖVP, so Blümel. Altparteien, die nicht bereit seien, sich zu verändern, würden keine Wahlen mehr gewinnen. Deshalb müsse sich auch die ÖVP öffnen.

Gernot Blümel

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Gernot Blümel will Sebastian Kurz als neuen Parteichef

Das Angebot des Bundeskanzlers sehe er eher „mit Besorgnis“. Er glaube nicht, dass Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) die Reformpartnerschaft wirklich wolle. Neuwahlen „stehen sicher im Raum“, so Blümel. Für Blümel, der als Vertrauter von Kurz gilt, würde ein Aufstieg desselben zum Parteichef aber keine großen Veränderungen bringen: „Ich fühle mich sehr wohl in Wien“. Er garantiere auch , dass er 2020 als Spitzenkandidat der Wiener ÖVP die Gemeinderatswahlen bestreiten werden und nicht in den Bund wechseln werde.

Politikberater Hofer: Kurz stellt „Bedingungen“

Doch der umworbene Sebastian Kurz ziert sich offenbar noch. Der 30-Jährige hat theoretisch noch eine lange politische Karriere vor sich und will sich möglicherweise jetzt gar nicht als Parteichef verheizen lassen. Im Schnitt ist ein ÖVP-Obmann nur viereinhalb Jahre im Amt. Die ÖVP gilt als schwierig zu führen, weil die mächtigen Bünde und Länderorganisationen immer und überall mitreden wollen.

Dem Vernehmen nach verlangt Kurz vor dem Parteivorstand am Sonntagabend für seine Zusage eine Art Blankoscheck - also freie Hand bei seinen Entscheidungen. Politikberater Thomas Hofer ist sich ziemlich sicher, dass sich Kurz etwas ausverhandeln will: „Er will das vermeiden, was seine Vorgänger nie bewältigen konnten, nämlich die wirklich sehr komplizierte Struktur der ÖVP mit sechs Bünden und neun Landesorganisation, die alle sehr selbstbewusst auftreten“, so Hofer im ORF-Radio.

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Politikberater Thomas Hofer im ORF-Radio

Häupl hofft, dass Koalition bestehen bleibt

„Die ÖVP wird sich zu entscheiden haben“, sagte Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ). Regierung und Opposition in einem zu sein, sei nicht möglich. Er hoffe, dass die ÖVP die „ausgestreckte Hand“ von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) annimmt und eine weitere Zusammenarbeit anstrebt. Die ÖVP müsse sich jetzt entscheiden, wie sie weiter vorgehe - also wer nächster Parteichef werde und ob sie die Fortschreibung des Regierungsprogramms umsetzen möchte.

Er sei vom Rücktritt Mitterlehners durchaus überrascht, wie er gestand: „Ich bedauere insbesonders, dass der Herr Vizekanzler als Wissenschaftsminister zurückgetreten ist. Weil ich glaube, er hat gerade diesen Themenbereich sehr gut gemacht.“ Bei der Obmannsuche habe sich die SPÖ nicht einzumischen, betonte Häupl, der jedoch hinzufügte: „Wenn sich Herr (Innenminister Wolfgang, Anm.) Sobotka durchsetzt, dann, denke ich, wird es schwierig.“ Neuwahlen sollten jedenfalls nicht vom Zaun gebrochen werden.

Vassilakou: Entwicklung der ÖVP „bedenklich“

Wenig überraschend kam hingegen der Rücktritt für Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou von den Grünen. Sie sehe innerhalb der ÖVP eine sehr bedenkliche Entwicklung. Mitterlehner habe die Konsequenzen daraus gezogen, „dass die ÖVP sich aus der staatspolitischen Verantwortung komplett zurückgenommen hat. Das ist etwas, was wir auch in Wien tagtäglich erleben.“

Nun sei abzuwarten, wie die Entscheidungsprozesse innerhalb der ÖVP ablaufen, so Vassilakou. Sie gab zu bedenken, „dass mehrere Regierungsmitglieder in der ÖVP ihre persönliche Profilierung allen voranstellen und nicht im Sinne des Allgemeinwohls handeln“. Wenn sich das Regierungsteam nicht ändere, sei sie nicht wirklich optimistisch, dass sich innerhalb der ÖVP etwas ändere: „Ich denke, dass langsam aber sicher Neuwahlen herannahen“, so Vassilakou.

FPÖ für rasches Ende des „Trauerspiels“

Klar für Neuwahlen spricht sich die FPÖ aus. Es sei „höchst an der Zeit, das Trauerspiel zu beenden“, sagte Vizebürgermeister Johann Gudenus (FPÖ). Man sehe ja den inneren Zustand der ÖVP, aber auch der SPÖ. Beides sei untragbar für eine Republik, deshalb sollte so schnell wie möglich gewählt werden, nicht nur im Bund, sondern auch gleich auch auf Landesebene in Wien. Rot-Grün sollten Verantwortung zeigen und Neuwahlen ausschreiben.

Gudenus vermisst Reformbereitschaft in der gesamten Regierungsmannschaft: „Das hat man ja schon in den letzten Jahren gesehen, dass da nichts weiter geht.“ Deswegen wäre das Gebot der Stunde Neuwahlen noch heuer, damit die Österreicher entscheiden können, wie es weiter geht.

NEOS spricht sich für Neuwahlen aus

Der Druch auf Mitterlehner sei in den letzten Monaten spürbar gewesen, so NEOS-Klubvorsitzende Beate Meinl-Reisinger. Für seinen Ausstieg zolle sie ihm Respekt. Wie es nun weitergehen werde, wisse sie nicht: „Aber sicher ist, die Österreicherinnen und Österreicher haben etwas besseres verdient als diese Regierung.“

Schon als Mitterlehner an die Macht gekommen ist, habe sie gesagt, dass die Altparteien nicht ein personelles Problem, sondern ein strukturelles haben. Das sei auch das Thema in Österreich, warum es keine Reformen, sondern Stillstand gibt. Sie glaube nicht daran, dass die beiden alten Parteien gemeinsam in eine gute Zukunft führen: „Daher wünsche ich mir, dass wir im Sinne der Österreicher bald eine echte Reformpartnerschaft abseits einer rot-schwarzen Koalition haben“, glaubt Meinl-Reisinger an Neuwahlen als richtigen Weg.

Mitterlehner von allen Ämtern zurückgetreten

Die ÖVP muss sich um einen neuen Parteichef, die Regierung um einen neuen Vizekanzler umsehen: Reinhold Mitterlehner trat in einer am Mittwoch überraschend angekündigten Pressekonferenz von allen Funktionen zurück - mehr dazu in Vizekanzler Mitterlehner tritt zurück (news.ORF.at).