Experte warnt vor Chaos im Nationalrat

Der Wunsch nach einer Neuwahl von Sebastian Kurz (ÖVP) und die Suche nach anderen Mehrheiten von Christian Kern (SPÖ) sorgen für einen äußerst chaotischen Eindruck. Das kann beiden schaden, warnte Politikexperte Thomas Hofer.

Am Freitag hatte sich Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) bereiterklärt, die ÖVP zu übernehmen - allerdings nur unter der Bedingung, dass er zum Beispiel in Sachen Personal frei entscheiden kann und dass es Neuwahlen gibt. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) konterte mit der Aussage, jedenfalls weiterregieren zu wollen, sich dafür aber andere Mehrheiten im Nationalrat zu suchen - mehr dazu in Häupl: „Kurz für Neuwahl verantwortlich“.

Für Politikexperten Hofer bleibt nach dem Schlagabtausch vor allem die Frage, wie man „da halbwegs den Eindruck der Stabilität aufrechterhalten kann. Das ist in dieser Situation mehr als ungewiss.“ Beide Seiten müssten nun aufpassen, „dass man nicht das Attribut staatstragend schön langsam verspielt. Die Imagewerte von Kern und Kurz sind gut, aber auch die kann man verspielen“, warnte er im „Wien heute“-Interview.

Bei Bevölkerung entsteht „Eindruck des Chaos“

Verschlimmern würde sich die Situation, wenn Kurz am Sonntag tatsächlich neuer ÖVP-Chef wird und die Partei einen Neuwahlantrag einbringt. Die FPÖ hat bereits angekündigt, für einen solchen Antrag stimmen zu wollen. „Dann bräuchte es noch drei Abgeordnete, das ist nicht einschätzbar, das ist volatil“, so Hofer. Der Eindruck bei der Bevölkerung sei dann noch mehr „einer des Chaos und der Unsteuerbarkeit“. Das schade der gesamten politischen Parteienlandschaft.

Politikberater Thomas Hofer

ORF

Politikexperte Thomas Hofer warnte vor Verhalten, das beiden Seiten schade

Von einer Minderheitsregierung wollte Kern nicht dezidiert sprechen. Die Debatte um eine solche hält Hofer auch für absurd: Denn eine Minderheitsregierung wäre wohl eine reine SPÖ-Regierung: „Es ist lächerlich zu glauben, dass die ÖVP-Minister, obwohl sie nicht wollen, da in der Regierung bleiben.“ Dann liege das Problem vor allem darin, Mehrheiten im Nationalrat zu finden. Denn selbst SPÖ, Grüne, NEOS und Team Stronach hätten zusammen keine Mehrheit. „Das ist eine Geschichte, wo man sich sehr leicht – beide Seiten – auf dünnes Eis begibt.“

SPÖ-FPÖ-Zusammenarbeit wäre Affront gegen Häupl

Eine Zusammenarbeit von SPÖ und FPÖ wäre für Hofer „ein Schlag ins Gesicht für Wien und Michael Häupl und auch wahlkampftaktisch nicht wirklich klug“. Denn damit würde die SPÖ eine rot-blaue Koalition „indirekt schon vorwegnehmen“ und sich so auch eines potenziellen Wahlkampfarguments berauben.

Hofer glaubt, dass Kern sich langfristig „wirklich wie weiland Bruno Kreisky“ eine Minderheitsregierung basteln will, um sich dann thematisch Mehrheiten im Nationalrat zu suchen. „Das klingt in der Theorie sehr, sehr gut, aber die Situation im Nationalrat ist viel chaotischer als 1970.“ Außerdem wäre die Minderheitsregierung dann auch anfällig für Gegenanträge - etwa Misstrauensanträge und eben Neuwahlanträge. „Und man weiß vorher nie, wie das ausgeht“, meinte Hofer. Er sei gespannt, „ob sich der Bundespräsident auch auf dieses Szenario einlässt, egal wie es dann aussieht“.

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