Wien erlebt „Revival der Ansichtskarten“

Lange Zeit haben Touristen lieber Handyfotos als Ansichtskarten verschickt. Doch nun steigt die Nachfrage wieder, die Verlage sehen ein „Revival der Ansichtskarte“. Und Wien scheint bei Ansichtskarten derzeit sogar „unterversorgt“ zu sein.

Schönreden möchte man in der Branche nichts: Laut dem Obmann des Verbands der Österreichischen Ansichtskartenverleger und –hersteller, Ralph Peichär, findet eine Verdrängung der klassischen Postkarte durch das Smartphone statt. „Der Markt hat sich in den letzten zehn Jahren konsolidiert. Viele Verlage und Großhändler haben aufgegeben, viele Verkaufsflächen bei Trafiken, Kiosken und Nahversorgern sind verschwunden. Am Land ist dieser Trend stärker als in der Stadt“, so Peichär.

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In Wien werden jedes Jahr noch immer Millionen Ansichtskarten verkauft

Peichär produziert selbst als Druckdienstleister Ansichtskarten. Noch vor zehn Jahren belieferte er die österreichischen Verlage mit rund 15,9 Millionen Ansichtskarten, heuer sind es nur noch 12,3 Millionen. Und dennoch gibt es laut Peichär derzeit einen Aufwärtstrend bei Ansichtskarten. Neue Verlage kommen auf den Markt, bestehende werden größer, die Qualität bei Fotos und Druck steigt.

Wien bei Karten „unterversorgt“

Der Meixner Verlag aus Baden etwa ist seit dieser Saison neu in Wien aktiv, da der Ansichtskartenmarkt hier „unterversorgt“ sei. Die „goldenen Zeiten der 80er sind selbstverständlich vorbei“, sagte Geschäftsführer Andreas Meixner. Auch wenn vieles durch „stetig steigende Verkaufszahlen bei Souvenirmagneten jeglicher Art wettgemacht“ wird. Aber generell „sind wir sehr positiv überrascht. Für uns entwickelt sich die Sache sehr gut. Wir haben innerhalb der ersten zwei Wochen gleich 15.000 Karten verkauft, wobei wir noch nicht die ganzen Hotspots hatten und teilweise auch nicht haben.“

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Umsatzeinbußen bei Ansichtskarten werden durch Magnete ausgeglichen

Meixner sagte, dass Ansichtskarten in den großen Städten im Zentrum bzw. bei den Sehenswürdigkeiten noch immer ein guter Umsatzträger sind - „wenn sie dementsprechend präsentiert werden und Briefmarken dazu angeboten werden“. Beliebt seien nach wie vor klassische Motive wie der Stephansdom, das Riesenrad, das Schloss Schönbrunn. „Aber wir versuchen durchaus diese Motive in ein zeitgemäßes Design zu verpacken. Alte Bilder aus den 1970er/1980er Jahren neu arrangiert und lieblos Bild an Bild gereiht - das geht gar nicht mehr.“

Digitales Bild ist „vergänglicher“

Ein Branchenriese, der in den vergangenen Jahren andere Verlage in Wien übernahm, ist der Souvenirhersteller Smile. Er verkauft in Österreich jährlich sechs Millionen Ansichtskarten - Tendenz steigend. „Es gibt so eine Art Revival der Ansichtskarte, auch bei den jungen Leuten. Eine Ansichtskarte ist eine bleibende Erinnerung, die man sich im Büro oder in der Küche anpinnen kann, ein digitales Bild ist vergänglicher und das sieht man nicht immer“, sagte Christina Zimmermann von Smile.

Am beliebtesten seien Ansichtskarten, die Sehenswürdigkeiten so zeigen, wie sie vom Gast tatsächlich gesehen werden. Natürlich gibt es auch 3-D-Karten, Karten mit Geruch sowie besonderen Prägetechniken und verschiedenen Formaten. „Aber die scheitern oft an den höheren Portokosten“, so Zimmermann. Auf manchen Karten gibt es außerdem bereits QR-Codes, Verlinkungen mit Facebook und andere Extras.

Bernhard Helminger verkauft mit seinem Verlag Colorama rund 1,5 Millionen Postkarten pro Jahr, etwa die Hälfte davon in Wien. „Wir haben vor zwei Jahren Postkarten gemacht, die oben einen Wien-Schriftzug haben, der ausgestanzt ist. Solche Schnörkeleien gehen immer gut, also je kitschiger, umso besser der Verkauf. Zum Postkartenkitsch haben wir heuer erstmals auch Kunstkarten im Programm und zwar in Polaroidoptik. Diese verkaufen sich in Salzburg super, in Wien fehlen uns derzeit noch etwas die Kundschaften.“

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Ansichtskarten für 2018

Der WienTourismus setzt heuer ausnahmsweise auch auf Ansichtskarten - und zwar für das Themenjahr 2018. Generell habe man sich aber an das Medienverhalten der Wien-Gäste angepasst und sei daher eher im Digitalmarketing aktiv - gemeint sind Plattformen wie Instagram, Facebook, YouTube und Twitter.

Kritik an Restriktionen

Laut dem Obmann der Wiener Trafikanten, Andreas Schiefer, wurden in manchen Trafiken Kartenständer aufgrund der geringen Verkäufe entfernt und die Ansichtskarten in den Billetständer integriert. „Die Zahlen halten sich recht stabil mir einem leichten Plus. Allgemein kann man aber sagen, dass lieber Magnete genommen werden.“

Laut Peichär liegt der Rückgang der Kartenständer an Restriktionen der Städte. „Wenn man will, dass die Ansichtskarte und damit mehr bezahlte Gratiswerbung für Österreich verkauft wird, müsste man Restriktionen zurücknehmen und den Händlern das Aufstellen der Ständer vor den Geschäften wieder mehr erlauben.“

Denn Postkartenständer hätten einen Stoppereffekt, und Ansichtskarten seien ein klassischer Spontankaufartikel: „Wenn der Ständer mit den Ansichtskarten nicht dort aufgestellt wird, wo die Leute vorbeigehen, nämlich vor dem Geschäft, dann wird sie auch weniger verkauft.“

Florian Kobler, wien.ORF.at

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