Prozess um Messerstiche: 15 Monate Haft

Ein 15-Jähriger ist am Landesgericht nach lebensgefährlichen Messerstichen nicht wegen versuchten Mordes, sondern wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung zu 15 Monaten Haft verurteilt worden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

„Hätten Sie ihn umbringen wollen, dann hätten Sie eine andere Stichführung und eine andere Körperstelle gewählt“, meinte die Richterin in ihrer Urteilsbegründung. Zudem hätte der 15-Jährige nicht weiter zugestochen. „Lassen Sie bitte in Zukunft das Messer weg“, sagte die Richterin. „Es ist eine Schande, Sie waren ja in Ihrer Schule Klassensprecher und da sollte man ein Vorbild sein.“

„Ich wollte ihn schwer verletzten, nicht töten“, hatte der Angeklagte im Prozess gesagt. Er bekannte sich teilweise schuldig, den versuchten Mord bestritt er. Er wollte seinem Cousin helfen, der wie ein Bruder für ihn sei, meinte der Angeklagte. Eigentlich wollte er nicht in die Rippen, sondern in den Oberarm des Opfers stechen, „damit sie aufhören, zu raufen“. Das 18-jährige Opfer überlebte knapp.

Angeklagter mit Polizist vor Verhandlungssaal bei Prozess um Mordversuch

ORF

Der 15-Jährige musste sich wegen versuchten Mordes verantworten und wurde wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung verurteilt

Strafen wegen Raufhandels

Der 19-jährige Cousin des Angeklagten erhielt wegen Raufhandels sieben Monate, wobei ihm fünf Monate bedingt nachgesehen wurde. Sein Anwalt beantragte für die unbedingte Haftstrafe von zwei Monaten einen Haftaufschub, bis er seine Lehre beendet hat, die er gerade begonnen hatte. Zudem wurden zwei frühere Bewährungsstrafen des jungen Mannes widerrufen und die Probezeit verlängert.

Das 18-jährige Opfer, das bei der Rauferei mit einen Schlagstock zuschlug, bekam zwei Monate wegen Raufhandels, die im gänzlich bedingt nachgesehen wurden. Er und der 19-Jährige müssen zudem ein Antigewalttraining absolvieren. Die Urteile für den 19- und 18-Jährigen sind bereits rechtskräftig.

Streit um Beziehungsende

Auslöser der verabredeten Rauferei war im Februar ein Streit über ein Mädchen, das sich bei einem 16-jährigen Bekannten über ihren Ex-Freund beschwerte, weil dieser plötzlich die Beziehung beendet hatte. Der 16-Jährige rief den 18-jährigen Ex an und fragte ihn, warum er die Beziehung beendet habe. Im Zuge des Telefonats kam es bereits zu ersten Beschimpfungen, die beiden verabredeten sich am 20. Februar zu einer Aussprache in der U3-Station Kardinal-Nagl-Platz im Bezirk Landstraße.

Beide Burschen nahmen zu dem Gespräch Verstärkung mit. Ein Freund des 16-Jährigen, der damals 14-Jährige jetzige Angeklagte, führte in seiner Schultasche zudem ein Klappmesser mit. Auf die Frage der Richterin, warum er ein Stichwaffe in seiner Schultasche hatte, sagte der Angeklagte: „Fast jeder Jugendliche hat was mit, einen Schlagstock, einen Schlagring oder ein Messer.“ Nach einer kurzen verbalen Auseinandersetzung „ging es auch schon los“, meinte der heute 15-Jährige.

Stich in Lungengewebe

Als sein 19-jähriger Cousin von einem Kontrahenten mit dem Schlagstock verdroschen wurde, stach der Angeklagte das erste Mal in das Gesäß des Schlägers und eines weiteren Angreifers. Daraufhin trat die Gruppe Richtung U-Bahn die Flucht an. Die Kontrahenten rund um den Ex-Freund rannten hinterher.

Dabei bemerkte der 18-Jährige mit dem Schlagstock plötzlich, dass er durch die oberflächlichen Stiche Blut auf seiner Hose hatte. Er rief laut: „Wer von euch hat ein Messer? Es ist noch nicht beendet!“ Daraufhin kehrte der 19-jährige Cousin zurück und die beiden gingen erneut aufeinander los.

Scheinbar wollte der nun 15-Jährige seinem Verwandten helfen, nahm das Messer, „holte aus wie mit einem Tennisschläger“, wie ein Zeuge berichtete und stach zu. Die Brusthöhle des 18-Jährigen wurde eröffnet, die sieben Zentimeter lange Klinge beschädigte laut Gerichtsmediziner eine Rippe und drang ins Lungengewebe ein. „Warum spielen Sie da den Rächer für alle“, wollte die Richterin wissen. „Es tut mir leid, ich hab nicht nachgedacht“, meinte der 15-Jährige. „Wenn das Messer nicht im Spiel gewesen wäre, dann würden wir alle nicht hier sitzen“, so die Richterin.