Sexualunterricht für junge Afghanen

Selbstbefriedigung macht krank, Kondome sind verpönt und heiraten wollen sie nur eine muslimische Jungfrau. Es besteht vor allem bei jungen Afghanen massiver sexualpädagogischer Aufklärungsbedarf, zeigt ein aktueller „Biber“-Artikel.

Die Caritas organisiert Schwimmkurse für junge Flüchtlinge an der Alten Donau. Dabei geht ein Schwimmtrainer des Samariterbunds mit den jungen Männern die geltenden Baderegeln durch. Aber nicht nur die werden genau besprochen, erklärt Benita Tobias vom Caritas-Projekt „Schwimmit“: „Wir thematisieren Mann und Frau im Schwimmbad, wie man damit umgeht. Die Nacktheit in der Öffentlichkeit. Wir thematisieren auch, dass anschauen ganz normal ist und auch jeder macht, jedoch anstarren oder beobachten - da fühlt sich jeder logischerweise unwohl.“

Sexualität Flüchtlinge Tabu

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Im „Biber“ hat ein junger Flüchtling über das Thema gesprochen

Selbstbefriedigung „macht Rückenschmerzen“

Sex und Sexualität sind ein großes Tabuthema in Afghanistan. Der 18-jährige Faruk hat dem Magazin „Biber“ jedoch ein Interview zu dem Thema gegeben. Die „Biber“-Chefredakteurin Delna Antia erzählt über das Gespräch mit Faruk: „Ein sympathischer, junger Mann, der mir aber dann doch das bestätigt hat, was auch schon viel gemunkelt wurde. Die Flüchtlinge kennen sich nicht aus. Er hat mir gesagt, er hat durch den Sexualpädagogik-Workshop erst erfahren, wie ein Kind entsteht.“

An die 50 Workshops hat Sexualpädagoge Stephan Hloch seit der Flüchtlingsbewegung 2015 schon in Unterkünften abgehalten. Er bestätigt das geringe Wissen: „Wie man Vater wird, wie Schwangerschaft funktioniert, wie Verhütung funktioniert - da ist zum Teil gar kein Wissen vorhanden. Bei der Selbstbefriedigung heißt es immer, wenn wir zu dem Thema kommen, dass es Rückenschmerzen macht. Oder, dass man später kein Vater mehr werden kann, dass es eine schädliche Auswirkung hat.“

Tabu-Thema: Sex bei jungen Flüchlingen

Selbstbefriedigung macht krank, Kondome und Sex vor der Ehe sind verpönt, erzählt ein junger Flüchtling aus Afghanistan dem Magazin „Biber“.

900 unbegleitete Minderjährige in Wien

Es muss also Basiswissen vermittelt werden, welches bei uns das Schulsystem erledigen würde. In Wien leben derzeit 900 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. 80 Mädchen und 820 Buben in 43 Wohngemeinschaften. Sie kommen hauptsächlich aus Afghanistan, Somalia und Syrien.

Vor allem die jungen Männer aus Afghanistan wissen wenig über Sexualität. In Syrien sei die Situation anders, so Hloch: „Das ist zum Teil darin begründet, dass Syrien eine ganz andere Geschichte und in den letzten 20 Jahren auch ein besseres Bildungssystem hatte. Ich habe auch den Eindruck, dass die syrischen Burschen mit denen ich arbeite, auch schon mehr Schulbildung erfahren haben.“

Sexualität Flüchtlinge Tabu

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In den Schwimmkursen wird auch anderes Wissen vermittelt

Wissen wird mitvermittelt

Trotz sexualpädagogischer Maßnahmen sitzt mancher Kulturunterschied weiter tief, sagt Antia: „Faruk hat mir auch gesagt, die Freiheit will man dann irgendwie auch hier in Österreich leben. Die sexuellen Erfahrungen wollen sie eher mit westeuropäischen Mädchen sammeln. Heiraten wollen sie aber eben nur die muslimische Jungfrau.“ Trotzdem sind sexualpädagogische Schulungen für Flüchtlinge in Österreich nicht verpflichtend. In Wien werden diese Fragen häufig in verschiedenen Kursen, wie eben auch beim Schwimmunterricht, mitvermittelt.

Ab Herbst starten dann mit dem EU-geförderten CORE-Projekt in Wien wöchentliche Module mit neuen Themen wie Gender-Rollenbilder, Sexualität und Identität.

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