Widerstand: Vater von Olivia verurteilt

Vor 22 Jahren hat das krebskranke Kind Olivia für Schlagzeilen gesorgt. Ihre Eltern lehnten eine schulmedizinische Behandlung ab. Ihr Vater wurde am Freitag in Wien, unabhängig davon, nicht rechtskräftig wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt verurteilt.

Helmut Pilhars Anwalt Adrian Hollaender meldete sofort volle Berufung an. Pilhar, der eigenen Angaben zufolge Anhänger der staatsfeindlichen Bewegung „Staatenbund“ war, bekam ein Jahr auf Bewährung.

Grund für das Strafverfahren am Wiener Straflandesgericht waren Drohungen gegen eine Richterin in Wiener Neustadt, die im vergangenen Jahr einen Prozess gegen ihn wegen übler Nachrede führte. In dem Prozess ging es um eine Privatanklage, die von einem Autor eines medizinischen Buches angestrebt wurde. Pilhar soll diesen in einem Rundmail des Diebstahls des geistigen Eigentums der Lehren des selbst ernannten Krebsheilers Ryke Geerd Hamer beschuldigt haben.

„Legitimation“ von Richterin gefordert

Weil der 52-Jährige mit dem Verfahren in Niederösterreich nicht zufrieden war, soll er ab Dezember 2016 vier Briefe an die Wiener Neustädter Richterin verfasst haben, in der er von ihr eine Art Legitimation verlangte. „Wenn das nicht erfolgt, dann muss ich davon ausgehen, dass das Gericht eine Firma ist“, sagte Pilhar. „Wie kommen Sie darauf?“, fragte die Richterin. „Es ist ja im Handelsregister eingetragen“, meinte Pilhar mit Hinweis das von „Staatsverweigerern“ gerne genutzte US-Handelsregister Uniform Commercial Code (UCC).

In das UCC werden von „Staatsverweigerern“ entsprechende Pfandrechtstitel eingetragen. Über ein Inkassobüro in Malta wird dann versucht, diese Fantasieforderungen tatsächlich einzutreiben. So soll Pilhar in seinem ersten Schreiben an die niederösterreichische Richterin für die Legitimation eine Frist von 72 Stunden eingeräumt haben, ansonsten würden 30.000 Euro fällig. Dafür sollte die Richterin u. a. die Gründungsurkunde der Republik Österreich, des Landes Niederösterreich, ihren Amtsausweis und Dienstausweis vorweisen. „Ich wollte eine Antwort von dem Gericht, dann hätte ich mich sofort unterworfen“, sagte der 52-Jährige.

300.000 Euro Schadenersatz gefordert

Da er aber keine Antwort bekam, verfasste er Anfang 2017 drei weitere Briefe, darunter eine „Ungültigkeitserklärung“, ein „Versäumnisurteil“ sowie eine „Zahlungserinnerung“, in der Pilhar sogar eine Schadenersatzforderung in der Höhe von 300.000 Euro verlangt haben soll. Darin bezeichnete er sich als „Sohn des Schöpfers“ und unterzeichnete mit einem Fingerabdruck.

Im März 2017 verfasste er das letzte Schreiben. „Ich habe mich in einem rechtsfreien Raum befunden“, erklärte Pilhar vor Gericht. „Ich bin auch nicht der Mensch, der jemandem 300.000 Euro aufbrummt.“ Auf die Frage der Richterin nach dem Warum, meinte der 52-Jährige: „Das sind ja meine AGBs (Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Anm.).“ Dann habe er von seinem Vorhaben abgelassen.

Aus „Staatenbund“ wieder ausgetreten

Den Entwurf für die Briefe habe er sich von der Homepage des „Staatenbundes“ geholt, zu denen er sich am Freitag vor Gericht nicht mehr bekannte. Gegen deren Anhänger wird in Graz ermittelt. „Ich bin ja ausgetreten, weil ich gemerkt habe, das ist der falsche Weg“, sagte Pilhar. „Ich saß einem Irrtum im Internet auf.“

Bereits am Beginn des Verfahrens betonte der Beschuldigte auf die Frage, ob er österreichischer Staatsbürger sei, dass das noch geklärt werde. Für ihn sei die Abstammung wichtig. „Jetzt habe ich die Staatsbürgerschaft nach Abstammung“, meinte der Angeklagte. Das lasse er gerade durch das Land Niederösterreich feststellen. „Sind Sie bei einem Psychiater oder einem Psychologen? Weil offen gesagt, das ist total wirr“, meinte die Vorsitzende. Der Angeklagte schüttelte den Kopf.

Prozess wegen möglicher Befangenheit in Wien

Um dem Vorwurf der Befangenheit zu entgehen, wurden sowohl das Strafverfahren als auch das Privatanklageverfahren von Wien übernommen. Das Verfahren wegen übler Nachrede wurde ausgeschieden und soll im September fortgesetzt werden.

Der Fall des krebskranken Kindes Olivia sorgte im Jahr 1995 für Diskussionen. Der ehemalige deutsche Arzt und Erfinder der „Neuen Germanischen Medizin“ Hamer hatte den Eltern der damals Sechsjährigen von einer schulmedizinischen Behandlung ihrer Tochter abgeraten. Sie flüchteten mit dem Kind nach Spanien, um die Chemotherapie zu verhindern. Nach der Rückkehr nach Österreich wurde Olivia schulmedizinisch mit Operation und Chemotherapie behandelt und letztlich geheilt.

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