Kritik an Privatisierung von Aussichten

Viele Aussichtsplattformen können in Wien nur von zahlenden Kunden genossen werden. Diese Privatisierung kritisieren die Autoren des nun erschienenen Buchs „Sechsunddreißig Wiener Aussichten“. Sie fordern eine Demokratisierung.

„Man kann nicht einfach ein neues Hochhaus errichten und in den obersten Stock Penthäuser einbauen, die sich nur reiche Leute privat leisten können", sagt Sebastian Hackenschmidt, der das Buch gemeinsam mit dem Fotografen Stefan Olah veröffentlicht hat. "Aussichten haben ebenso einen Anspruch auf Demokratisierung wie Ansichten.“

Mit Fotos und Texten zu 36 Aussichten über Wien soll das Buch „die Menschen dafür sensibilisieren, dass das Verhältnis von Ansicht und Aussicht wichtige Parameter in der Stadtplanung sind“, erklärt Hackenschmidt. Den 36 Aussichten wurden deshalb auch die jeweiligen Ansichten auf die Gebäude hinzugefügt.

Bürogebäude statt Cafe mit Aussicht

„Mit der Ansicht eines Hochhauses muss jeder in Wien leben, aber wer hoch darf, das entscheiden die Finanzen“, sagt Hackenschmidt. So hatte das Hochhaus in der Herrengassse bis in die späten 1960er-Jahre ein Cafe mit Ausblick auf das Stadtzentrum. Heute besteht das oberste Stockwerk hauptsächlich aus Büros.

Für die Gestaltung des Buches haben sich die beiden Männer unter anderem an den Werken „36 Aussichten der Residenzstadt Wien“ von Carl Schütz, Johann Ziegler und Laurens Janscha und „36 Ansichten des Berges Fuji“ des japanischen Künstlers Katushika Hokusai orientiert. „Zu Beginn haben wir uns einen großen Wienstadtplan ins Atelier gehängt und uns überlegt: welcher Winkel fehlt noch, welches Bauwerk ist wichtig und welchen Standort müssen wir berücksichtigen. Es sah bei uns aus wie im Detektivbüro“, sagt Olah.

„Alt und neu in ein Verhältnis bringen“

„Die meisten Aussichten entsprechen dem klassischen Repertoire, das schon seit dem späten 18. Jahrhundert festgelegt ist, wie etwa der Kahlenberg oder das Belvedere. Das sind Punkte, die in den alten Reiseführern um 1800 bereits als schöne Aussichtspunkte markiert wurden“, so Hackenschmidt. Neben klassischen Sehenswürdigkeiten sollten auch die modernen Aussichtspunkte der Stadt miteinbezogen werden. „Wir haben versucht, alt und neu in ein Verhältnis zu bringen.“

Dafür wurden unterstützend historische Hintergründe der Orte sowie Texte bekannter Autoren wie Friederike Mayröcker und Walter Seitter hinzugefügt. Die Art der Fotografie sollte jedoch klassisch bleiben. Olah verwendete ausschließlich analogen Film und bearbeitete die Bilder nicht nach. „Die Bilder sind im Nachhinein nicht digital manipuliert worden. So entsteht ein echtes Zeitdokument und keine Illustration.“

Wichtig war dem Fotografen auch, Wien nicht nur bei klarem Himmel und Sonnenschein zu zeigen, sondern in allen Wetterlagen und Jahreszeiten. „Es geht nicht darum, etwas zu beschönigen oder die Sonne dort scheinen zu lassen, wo sie nicht ist, sondern die Dinge so zu zeigen, wie sie sind“, sagt Hackenschmidt.

Melanie Gerges, wien.ORF.at

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