Neuartiger Braille-Reader aus Wien

Ein neuartiges Lesegerät für Blinde, das in jede Jackentasche passt, hat jetzt ein Spin-off-Unternehmen der Wiener TU entwickelt. Das ringförmige Display von Tetragon kann an Smartphones und Tablets angesteckt werden.

„Der Zeigefinger befindet sich beim Lesen im Inneren des Ringes und ertastet die Buchstaben, die bei jeder Umdrehung des Ringes neu gebildet werden“, erklärte Wolfgang Zagler. Der pensionierte TU-Professor hat dieses Modell mit den beiden ehemaligen Studenten Michael Treml und Dominik Busse entwickelt.

Ältere Modelle eher fürs Büro geeignet

Dabei werden kleine Quader gedreht. In einem ersten Schritt wurden dafür die sechs Punkte, aus denen jeder Buchstabe der 1825 von Louis Braille entwickelten Schrift aufgebaut ist, von den Entwicklern in drei Zweiergruppen zerlegt. „Für jede Zweiergruppe gibt es vier Möglichkeiten: zwei Punkte, ein Punkt links, ein Punkt rechts oder gar kein Punkt“, so der Wissenschaftler. „Diese vier Möglichkeiten werden auf den vier Schmalseiten eines Quaders aufgebracht.“

Die Quader bewegen sich auf der Innenseite des Ringes im Kreis und können nach Belieben verdreht werden. Aus jeweils drei Quadern wird der gewünschte Buchstabe gebildet. So entstehe beim Lesen der Eindruck einer unendlich langen Zeile, berichtete Zagler. Das sei ein Fortschritt gegenüber älteren Modellen, bei denen die Schrift von einer unbeweglichen Zeile abgetastet wurde. Bisherige Displays hatten außerdem einen hohen Stromverbrauch, seien teuer und hauptsächlich für den Einsatz im Büro geeignet.

Zugriff auf Smartphones bisher schwierig

Mit dem neuen Display möchten die Forscher einen Beitrag dazu leisten, dass die Braille-Schrift den Schritt ins Zeitalter der mobilen Computer und Smartphones schafft. „Lesen ist schließlich eine wichtige Kulturtechnik, es ist unverzichtbar, dass blinde Menschen auch in Zukunft mit der Braille-Schrift vertraut sind“, so Zagler.

Sprachausgabe-Software, mit der man sich Texte vorlesen lassen kann, sei kein vollwertiger Ersatz. „Im Zeitalter des Smartphones ist es für sehende Menschen selbstverständlich, immer und überall auf Texte zugreifen zu können. Mit herkömmlichen Braille-Geräten ist das nur schwer möglich. Dadurch wird die Blindenschrift zunehmend unattraktiv, und der Analphabetismus bei jungen blinden Menschen steigt“, erklärte der Forscher. Das wolle man mit dem transportablen Braille-Reader verhindern.

Materialien stehen noch nicht fest

Einige wichtige Fragen seien jedoch in den nächsten Monaten noch zu klären: „Etwa welche Materialien man am besten wählt, wie man Antriebselemente mit möglichst geringem Stromverbrauch einsetzt und welche ergonomischen und haptischen Eigenschaften am angenehmsten sind“, berichtete Zagler. Zudem sei man sich bewusst, dass auch die unterschiedlichen Bedingungen in verschiedenen Weltregionen berücksichtigt werden müssen, wie zum Beispiel das Klima.

Der Endpreis des fertigen Geräts steht noch nicht fest, das Tetragon-Display solle aber kostengünstiger werden als bisher verfügbare Produkte: „Wir wollen das Display um den Preis eines guten Smartphones anbieten“, so der Experte. Für die Entwicklung des Braille-Readers ist Tetragon für die diesjährigen Social Impact Awards nominiert, die am 28. September in Wien verliehen werden. Bis 27. September kann man online darüber abstimmen, an welches Projekt der Community Award gehen soll.

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