Onkel wegen Missbrauchs verurteilt

Ein 55-jähriger Wiener ist am Mittwoch am Straflandesgericht wegen sexuellen Missbrauchs zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Er soll sich jahrelang an seinem unmündigen Neffen vergangenen haben. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Der Mann hatte laut Anklage den Buben zwischen dessen sechstem und 14. Lebensjahr wöchentlich missbraucht. Der mittlerweile 25 Jahre alte Betroffene erstattete im vergangenen April Anzeige, nachdem er sich seinem Freund anvertraut hatte. Der Angeklagte hatte zu Beginn der Verhandlung die Anschuldigungen vehement bestritten. Er könne sich die Vorwürfe nicht erklären: „Ich find das eigentlich sehr schad’, was der da mit mir macht.“

„Ich gebe zu, dass ich mich so aufg’führt hab“

Nach der zeugenschaftlichen Befragung des Neffen, während der die Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde, änderte der 55-Jährige nach Rücksprache mit Verteidigerin Heike Sporn seine Verantwortung und legte ein Geständnis ab: „Meine Anwältin hat mir ins Gewissen geredet. Ich gebe zu, dass ich mich so aufg’führt hab. Es tut mir leid.“

Der Neffe, dem die zahllosen Übergriffe in seiner Kindheit und Jugend schwer zu schaffen machen, verlangte über seine Rechtsvertreterin Barbara Steiner 15.000 Euro an Schadenersatz und Schmerzensgeld. Der Angeklagte erkannte diese Forderung an. Der Neffe bekam die Summe und darüber hinaus die Feststellung gerichtlich zugesprochen, dass der Onkel auch für allfällige zukünftige Folgeschäden haftet.

Opfer leidet an Belastungsstörung

Richter Christoph Bauer bescheinigte dem Angeklagten in seiner Urteilsbegründung eine „grundsätzliche Fehlschaltung“. Nachdem eine Halbschwester des 55-Jährigen von der Anzeige des Neffen erfahren hatte, brach die Frau ihr jahrzehntelanges Schweigen. Sie offenbarte, dass sich der um zehn Jahre ältere Bruder in ihrer Kindheit auch an ihr vergangen hatte. Sie war fünf, als sie erstmals geschlechtliche Handlungen über sich ergehen lassen musste.

Obwohl diese Fakten strafrechtlich verjährt sind, stand die Frau ihrem Neffen bei und sagte nun ebenfalls als Zeugin gegen ihren Halbbruder aus. Sie habe einen „wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung geleistet“, stellte der Richter fest. Bei der an sich bereits „außerordentlich glaubwürdigen“ Aussage des Neffen habe dessen Tante zusätzlich deutlich gemacht, „dass die Vorwürfe nicht aus der Welt geholt sind“. Es zeigten sich nämlich Parallelen - beide Betroffene dürfte der Täter zunächst mit Geschenken und dann mit Drohungen gefügig gemacht haben.

Ehefrau stürmte aus Verhandlungssaal

Der Neffe leidet laut einer ärztlichen Bescheinigung an einer posttraumatischen Belastungsstörung, depressiven Verstimmungen und fallweise auftretenden Anpassungsstörungen. Der mittlerweile 25-Jährige befindet sich seit über einem Jahr in therapeutischer Behandlung und ist auch auf Medikamente angewiesen, um seinen Alltag bewältigen zu können.

Die verhängte fünfjährige Freiheitsstrafe ist nicht rechtskräftig. Der 55-Jährige erbat Bedenkzeit, die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab. Erklärungsbedarf hat der Mann jedenfalls gegenüber seiner Ehefrau, die der Verhandlung als Zuhörerin beiwohnte. Als der Mann sein spätes Geständnis ablegte, verließ die davon offensichtlich gleichermaßen überraschte wie konsternierte Frau mit den Worten „Mir ist schlecht, ich muss raus“ den Gerichtssaal.