Übergriffe in U-Bahn: Verdächtiger enthaftet

Ein 36-jähriger Mann, der Mitte August nach sexuell motivierten Übergriffen in zwei U-Bahn-Stationen festgenommen worden war, ist am Montag auf freien Fuß gesetzt worden. Ausschlaggebend für die Enthaftung war ein psychiatrisches Gutachten.

Von Anfang an hatte die Vermutung bestanden, dass der Verdächtige psychisch krank und damit womöglich nicht schuldfähig sein könnte. Dieser Verdacht bestätigte sich nach Beiziehung des psychiatrischen Sachverständigen Karl Dantendorfer, der zum Schluss kommt, dass dem 36-Jährigen seine Handlungen aufgrund seiner psychischen Disposition nicht vorzuwerfen sind. Er sei nicht in der Lage gewesen, das Unrecht seines Tuns zu erkennen.

Verfahren eingestellt

Aufgrund des psychiatrischen Gutachtens, das dem Mann Zurechnungsunfähigkeit bescheinigt, wird das gegen ihn laufende Ermittlungsverfahren wegen sexueller Belästigung eingestellt. Das erklärte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, Nina Bussek, auf APA-Anfrage. „Es gibt leider keine andere Möglichkeit. Wir sind an die Gesetze gebunden“, sagte Bussek.

Der Verdächtige - ein besachwalteter Tscheche ohne festen Wohnsitz - soll erstmals am 31. Mai eine junge Frau bedrängt haben. Am 15. August stellte er sich dann innerhalb weniger Minuten in zwei verschiedenen U-Bahn-Stationen auf Rolltreppen und berührte zwei 17 bzw. 24 Jahre alte Frauen unsittlich im Intimbereich, wobei er in einem Fall einen Holzstock verwendet haben soll - mehr dazu in Festnahme nach Übergriff in U3-Station.

Hinweise auf paranoide Schizophrenie

Der Mann weist mehrere einschlägige Vorstrafen auf und saß auch schon im Gefängnis. Unmittelbar nach seiner Festnahme war es der Polizei nicht gelungen, mit dem Mann eine Einvernahme durchzuführen. Er soll einen psychisch kranken Eindruck gemacht und sich vor den Kriminalisten in Selbstgesprächen, begleitet von grundlosem und unkontrolliertem Grinsen ergangen haben. Bereits zu diesem Zeitpunkt lagen Hinweise auf eine paranoide Schizophrenie vor.

Nach der Überstellung des Mannes in die Justizanstalt Josefstadt besserte sich dessen Zustand - vermutlich aufgrund der Verabreichung von Medikamenten, über die der Obdachlose bis dahin wohl nicht verfügte. Bei der Verhängung der U-Haft machte er erstmals Angaben zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen, wobei er diese verharmloste und sich wunderte, dass er deshalb eingesperrt wurde.

Keine Überstellung in psychiatrische Klinik

Die nunmehrige Enthaftung war aufgrund der bestehenden Gesetzeslage unumgänglich, weil keine geeignete Anlasstat - dazu müsste der Tscheche ein mindestens mit einjähriger Freiheitsstrafe bedrohtes Delikt begangen haben - vorliegt, die es der Staatsanwaltschaft ermöglichen würde, einen Antrag auf Unterbringung des psychisch Kranken in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzubringen, wo eine stationäre therapeutische Behandlung des Mannes gewährleistet wäre.

Da der Mann bisher keine schwerwiegenden Delikte gesetzt hat, könnte er vorerst nur nach dem Unterbringungsgesetz in eine psychiatrische Klinik gebracht werden. Dazu wären die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei „Gefahr im Verzug“ berechtigt bzw. verpflichtet - der Mann müsste auf Polizisten den Eindruck erwecken, dass von ihm eine Gefahr für sich selbst oder seine Mitmenschen ausgeht. Über die Aufnahme in eine Spezialklinik hätte ein Arzt nach einer Untersuchung zu entscheiden, wobei er bescheinigen müsste, dass die erforderlichen Voraussetzungen für eine Unterbringung vorliegen.