Mordopfer hatte Vater und Bruder angezeigt

Bereits zweieinhalb Monate vor ihrem Tod hat eine 14-jährige Afghanin ihren Bruder, ihren mutmaßlichen späteren Mörder, sowie ihren Vater wegen fortgesetzter Gewalt angezeigt. Das hat die Staatsanwaltschaft Wien bestätigt.

Die aus Afghanistan stammenden Eltern waren vor über zehn Jahren nach Österreich gekommen. Bei der Erziehung ihrer Kinder sollen sie sich an der traditionellen, in ihrer ursprünglichen Heimat gültigen Lebensweise und an den Glaubensregeln des Koran orientiert haben. Die 14-Jährige dürfte sich zu Hause eingeengt gefühlt haben und zusehends unter Druck gesetzt worden sein, weil sie sich gegen die elterlichen Vorgaben auflehnte. Diese sollen etwa vorgesehen haben, dass sie die Wohnung nur in Begleitung verlassen durfte.

Weil sie auch geschlagen worden sein soll, flüchtete sie schließlich nach Graz, wo sie sich in ein Krisenzentrum begab. In Graz erstattete sie Anzeige gegen den Vater und den 18-jährigen Bruder.

Ermittlungen wegen fortgesetzter Gewaltausübung

Die Staatsanwaltschaft Wien leitete gegen beide ein Ermittlungsverfahren wegen fortgesetzter Gewaltausübung ein. Sie vernahm die Verdächtigen als Beschuldigte. Beide bestritten die gegen sie erhobenen Vorwürfe. Die Jugendliche wurde als Zeugin befragt, dabei aber nicht über ihr Entschlagungsrecht aufgeklärt. In einem Strafverfahren, das gegen Angehörige geführt wird, ist man von der Pflicht zur Aussage befreit.

Die Staatsanwaltschaft bat das Mädchen daher zu einer zweiten Aussage. In dieser entschlug sich das mittlerweile wieder nach Wien zurückgekehrte Mädchen aber der Aussage. Die Angaben der Schülerin aus der ersten Befragung durften aber aus rechtlichen Gründen nicht verwertet werden. Das Verfahren gegen den Vater und den Bruder musste daher Ende Juli von der Wiener Anklagebehörde eingestellt werden, bestätigte Vecsey.

Im Krisenzentrum Vorwürfe widerrufen

Die Jugendliche wurde nach ihrer Rückkehr aus Graz in einem Krisenzentrum des Wiener Jugendamts untergebracht. Dort habe sie schließlich die Vorwürfe gegen ihre Familie widerrufen und behauptet, sie habe „das nur so gesagt“, wie Herta Staffa vom Jugendamt erläuterte. Das Mädchen sei schließlich ohne Absprache nach Hause zurückgekehrt.

Die Staatsanwaltschaft habe dann nachgefragt, ob die 14-Jährige sich noch im Krisenzentrum befinde, so Staffa. Das sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr der Fall gewesen. Informationen zu einem Termin bei der Anklagebehörde habe das Jugendamt nicht gehabt. Die Obsorge lag nur so lange beim Jugendamt, als sich das Mädchen im Krisenzentrum befand, erläuterte Staffa.

U-Haft für mordverdächtigen Bruder verlängert

Wenige Tage vor ihrer Ermordung im September ersuchte das Mädchen von sich aus wieder um Aufnahme in einem Krisenzentrum. Am Montag, dem 18. September, wurde das Mädchen auf dem Weg zur Schule erstochen. Ihr 18-jähriger Bruder soll ihr auf dem Weg aufgelauert und sie in einen Innenhof in der Puchsbaumgasse verfolgt haben. Anrainer hörten laute Schreie und alarmierten die Polizei - mehr dazu in Erstochene 14-Jährige wohnte in Krisenzentrum.

Die U-Haft über den mordverdächtigen Bruder - er soll seine Schwester mit zumindest 13 Messerstichen getötet haben - ist vom Landesgericht vor wenigen Tagen bis Anfang November verlängert worden. Ob und inwieweit der Vater oder andere Familienmitglieder in die Bluttat verwickelt waren bzw. davon wussten, ist Gegenstand der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen - mehr dazu in Erstochene 14-Jährige hatte Freund.