„Wien Modern“ feiert 30. Auflage

106 Veranstaltungen an 26 Spielstätten in elf Wiener Gemeindebezirken. „Wien Modern 30“ ist für den künstlerische Leiter Bernhard Günther mehr denn je „ein Festival mit multiplen Facetten“.

Beim Pressegespräch zur 30. Auflage des von Claudio Abbado gegründeten Festivals für zeitgenössische Musik, das aufgrund besonders vieler Frankreich-Bezüge im Jubiläumsprogramm in der französischen Botschaft abgehalten wurde, gab es neben viel Inhaltlichem auch einige Zahlen.

So werden 47 Produktionen mit 40 Orchestern, Chören und Ensembles gespielt, 43 Uraufführungen und 30 österreichischen Erstaufführungen stehen auf dem Programm. Mit 24.600 Plätzen (inklusive kostenloser Veranstaltungen) werden heuer um rund 6.600 Plätze weniger angeboten als im Vorjahr.

Veranstaltungshinweis

„Wien Modern 30“ von 31. Oktober bis 1. Dezember in ganz Wien

„Bilder im Kopf“ als Festivalthema

Vom Bund erhält man nach heuer 120.000 Euro (und in den kommenden zwei Jahren jeweils um 5.000 Euro mehr), von der Stadt Wien nach einer Kürzung im Vorjahr gleichbleibend 650.000 Euro. Das Budget betrage „ein Fünfzehntel der Wiener Festwochen und ein Sechzigstel der Salzburger Festspiele“, sagte Günther. Ohne umfassende Zusammenarbeit mit großen Institutionen wäre ein derart umfassendes Programm nicht möglich. Das Festivalthema 2017 lautet „Bilder im Kopf“.

„Es ist ein extrem und ganz bewusst widersprüchliches Festival: Man soll nach diesem Monat eben nicht das Gefühl haben, man weiß jetzt, wie zeitgenössische Musik ist. Schmeißen Sie die alten Klischees weg und holen Sie sich ein Update bei Wien Modern“, warb der Festivalleiter und verwies auf das diesjährige Motto: „Machen Sie die Augen zu, und sehen Sie die Bilder im Kopf. Die Vielfalt von Haltungen und der Farbenreichtum machen die zeitgenössische Musik zu etwas Besonderen.“

Eröffnungskonzert unter Chefdirigent Meister

Zum Auftakt wird am 31. Oktober im Konzerthaus der fast dreistündige Stummfilmklassiker „J’accuse“ von Abel Gance aus 1918/19 gezeigt, die Österreich-Premiere einer neu restaurierten und rekonstruierten Fassung. "Die Musik dazu von Philippe Schoeller ist drei Jahre alt und wurde in der Pariser Cite de la Musique uraufgeführt.

„Es ist eine Filmsymphonie für großes Orchester und virtuellen Chor - sehr energetisch, sehr expressiv, eine große sinfonische Geste in der Tradition von Gustav Mahler“, begeisterte sich Johannes Neubert, der Intendant der Wiener Symphoniker, die für den Soundtrack sorgen werden. Schoeller ist als Elektroniksolist mit dabei.

Das eigentliche Eröffnungskonzert am 2. November bestreitet das RSO Wien unter Chefdirigent Cornelius Meister. Hans Werner Henzes Revolutionsoratorium „Das Floß der Medusa“ sei schon „wegen seiner spektakulär gescheiteten Uraufführung“ berühmt, sagte RSO-Intendant Christoph Becher, der Franzobels gleichnamigen neuen Roman als vorbereitende Lektüre empfahl.

„Ganze Stadt muss erfasst werden“

1968 in Hamburg sei „das Floß in Schreiduellen untergegangen“, die eigentliche Uraufführung war dann 1971 in Wien. „Henze hat das Drama der Schiffbrüchigen als Parabel auf eine Klassengesellschaft gesehen. Das Stück ist Che Guevara gewidmet und endet mit dem Ruf der APO ‚Ho, Ho, Ho Chi Minh‘“, sagte Becher und nannte den Bühnenaufbau „spektakulär“: Auf der einen Seite befänden sich die Lebenden, auf der anderen die Toten.

„Während des Stückes wechseln immer mehr Chorsänger von einer Seite auf die andere.“ Bei dem live auf Ö1 übertragenen Konzert sind über 100 Mitwirkende des Arnold Schönberg Chors und der Wiener Sängerknaben im Einsatz. Solist ist Matthias Goerne, Sprecher Sven-Eric Bechtolf.

Das reichhaltige Programm offeriere aber zahlreiche weitere Höhepunkte, hieß es - von Konzerten zu der „Musique spectrale“, die von französischen Komponisten wie Gerard Grisey und Tristan Murail als „glitzerndes Gegenmodell zur Nachkriegsavantgarde“ begründet wurde, über das Claudio-Abbado-Konzert am 4. November sowie dem ungewöhnlichen Projekt „An die Grenze“. Dafür ist „ein Spaziergang über die Schmelz samt Abschluss im Museumsquartier“ angekündigt. Und so dürfte der Wunsch von Konzerthaus-Intendant Matthias Naske in Erfüllung gehen: „Die ganze Stadt muss von so einem Festival erfasst werden!“

Link: