„Die Kraft des Alters“ im Belvedere

In 188 Werken von 108 Künstlern aus über hundert Jahren widmet sich das Untere Belvedere dem Thema Alter und Altern. Die Schau soll ein Kontrapunkt zur medialen Diskriminierung von Menschen jenseits der 50 sein.

„Es ist eine Schau zum Herbst des Lebens“, sagte Belvedere-Direktorin Stella Rollig am Rande einer Presseführung am Donnerstag. Neben der dem Thema innewohnenden Melancholie solle man jedoch nicht darauf vergessen, „dass wir nicht nur immer älter werden, sondern auch immer gesünder altern“, so Rollig, die zugleich auf die dadurch resultierenden gesellschaftlichen Herausforderungen verwies.

Kuratorin Fellner, die im Lentos in Linz für thematisch kontroversielle Ausstellungen wie „Der nackte Mann“ und „Rabenmütter“ verantwortlich zeichnete, kritisierte das vorherrschende „defizitäre Altersbild“, das von „Verfall und Schwäche“ gekennzeichnet sei. Die Werbeindustrie setze auf verjüngende Produkte, Hollywood zeige vor allem besonders jugendlich wirkende Alte. „Das Alter ist nicht nur ein biologischer Prozess, sondern eine kulturelle Konstruktion.“

Selbstironie steht Würdigung gegenüber

Wie sich die Sicht auf das Altern im Laufe der vergangenen hundert Jahre verändert hat, zeigt sie eindrucksvoll: Bereits im ersten Raum stellt sie die heute vorherrschende Selbstironie in Kontrast zu der zum Beginn des 20. Jahrhunderts vorherrschenden Würdigung des Alters, repräsentiert etwa durch Oskar Kokoschkas Porträt von Carl Moll aus dem Jahr 1913 oder Anton Koligs Porträt „General Gottfried Seibt von Ringenhart“ (1918).

Diesem Zugang stellt Fellner ebenfalls von Stolz getragene Arbeiten wie etwa Herlinde Koelbls Foto von Grete Weil (1987) oder Annie Leibovitz’ ikonografische Darstellung Iggy Pops (2000) gegenüber, der mit nacktem, faltigem Oberkörper in die Kamera blickt. Dazu gesellen sich selbstironische Arbeiten wie Margot Pilz’ „Anti Aging“, auf dem eine weißhaarige Frau im schulterfreien Leibchen Gewichte stemmt.

Körper als Abbild der Lebenserfahrung

Aber auch Themen wie Einsamkeit und nahender Tod finden sich in der Schau: Da spannt Egon Schieles „Selbstseher II (Tod und Mann)“ aus dem Jahr 1911 einen Bogen zu Eric Fischls „Frailty is a Moment of Self Reflection“ (1996): Auf dem Gemälde wankt ein alter, nackter Mann durch einen leeren Flur. Eindrucksvoll auch Roman Opalkas Selbstporträt-Serie, die sein eigenes Altern über Jahrzehnte hinweg dokumentiert oder Duane Michals „Grandpa Goes to Heaven“ (1989): In der Bilderserie begleitet ein junger Bub einen alten Mann beim Sterben, indem dieser mit umgeschnallten Flügeln durch das Fenster verschwindet.

Auch der Körper als Abbild von Lebenserfahrung stellt einen Pfeiler des Kunstschaffens dar, etwa in Herlinde Koebls Fotos aus dem Zyklus „Nina“ oder Sepp Dreissingers Porträt von Maria Lassnig mit einer gelben Rose im Mund. Eine ironische Auseinandersetzung mit dem männlichen Streben nach immerwährender Potenz und Virilität findet sich wiederum in Renate Bertlmanns „Viagra“ - einem leuchtenden Phallus auf goldenem Kissen - oder Heidi Harsiebers Arbeiten „The Beatles“ und „Rapid Fan“, die den Balanceakt „Alter Mann, junge Frau“ behandeln.

Dem Tabu Alterssexualität entgegentreten

Es ist vor allem die schleichende Unsichtbarkeit von Menschen über 50 auf dem Arbeitsmarkt oder das Tabuthema Alterssexualität, dem Kuratorin Fellner entgegentreten will. Ihr fehlen „Vorbilder für ein kraftvolles Alter“. Mit der Ausstellung, zu der auch ein umfassender Katalog erschienen ist und die im Rahmen der Vienna Art Week eröffnet, will sie einen Gegenentwurf setzen und den „Reichtum des gelebten Lebens zeigen“.

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