Tag der Selbsthilfe: Über Sterben reden

In 260 Selbsthilfegruppen in Wien werden regelmäßig Probleme besprochen, am heutigen „Tag der Selbsthilfe“ stellen sie sich vor: Ein Schwerpunkt des Programms ist das Lebensende. Denn auch bei Tabus soll das Schweigen gebrochen werden.

Zusammen ist man weniger allein - lautet eine Wahrheit, die hinter 260 Selbsthilfegruppen in Wien steht. Sie widmen sich rund 150 Themen. Für manche Bereiche gibt es mehrere Gruppen, die unterschiedliche Schwerpunkte haben. Gerade bei psychischen Erkrankungen sei das häufig so, erklärt Heidrun Rader von der Wiener Gesundheitsförderung (WIG). „Da gibt es dann zum Beispiel eine Gesprächsgruppe zu Angst und Depression, die sich wöchentlich trifft, und Aktivitätengruppen, bei denen das gemeinsame Erlebnis im Vordergrund steht.“

Zwei Menschen geben sich die Hand

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Selbsthilfegruppen leben von der Gemeinschaft

„Selbsthilfegruppen sind quasi ein Dauerbrenner“

Seit den 1970er-Jahren sind Selbsthilfegruppen eine beliebte Therapieform in Wien. Rund zehn Gruppen kommen pro Jahr hinzu. „Gerade zu seltenen oder psychischen Erkrankungen werden häufig neue Gruppen gegründet“, so Rader - Selbsthilfegruppen seien quasi ein Dauerbrenner. Sie werden von der WIG, die die Veranstaltung organisiert, als wichtige Ergänzung zum Gesundheits- und Sozialwesen gesehen.

Der „Tag der Selbsthilfe“ findet heuer zum fünften Mal statt. Über 70 Gruppen stellen sich vor und informieren über ihr Angebot. Im Mittelpunkt stehen zwei Themen: Zum einen ist das der gesunde Darm und die gesunde Ernährung, zum anderen das Ende des Lebens.

Sterben als gesellschaftliches Tabuthema

Denn obwohl wir dank Georg Kreisler wissen, dass der Tod ein Wiener sein muss, ist er auch in dieser Stadt ein Tabuthema. Jedes Jahr sterben etwa 16.000 Menschen in Wien - Grund genug, das Schweigen zu brechen, findet Rader: „Das Sterben gehört für uns alle zum Leben dazu.“

Veranstaltungshinweis: Der „Tag der Selbsthilfe“ findet heute von 10.00 bis 17.00 Uhr im Rathaus statt. Der EIntritt ist kostenlos.

Gerade für Menschen in Selbsthilfegruppen, die oft von chronischen Erkrankungen betroffen sind, sei eine Auseinandersetzung damit wichtig. Deshalb geht es am „Tag der Selbsthilfe“ sowohl um Sterbebegleitung und palliative Pflege als auch um den Umgang mit der Trauer. Gerade die persönlichen Erfahrungen von Mitgliedern in Selbsthilfegruppen sollen dabei laut Rader einen Platz finden.

Selbsthilfegruppe braucht „nur Betroffene“

Zur Gründung einer Selbsthilfegruppe braucht es im Prinzip nur Betroffene. Einen rechtlichen Rahmen gibt es nicht, die Gründung eines Vereins ist nicht nötig. Die meisten Selbsthilfegruppen sind lose Zusammenschlüsse von Personen, die ein gemeinsames Problem teilen.

„Uns ist wichtig, dass selbst Betroffene dahinter stehen, keine kommerziellen Interessen verfolgt werden und dass es ein möglichst demokratisches Vorgehen ist“, so Rader. Die WIG vergibt bei Bedarf Förderungen für Selbsthilfegruppen. Der Höchstsatz liegt bei 1.800 Euro im Jahr.

Sarah Nägele, wien.ORF.at

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